Kommentar Iran-Großbritannien: Der größte Feind
Das Misstrauen gegenüber Großbritannien isr historisch bedingt: Statt Iran in napoleonischer Zeit gegen Russland zu unterstützen, übten die Briten Verrat und beuteten Bodenschätze aus.
Ralf Sotscheck ist Korrespondent der taz für Großbritannien und Irland. Er lebt in Dublin.
Für die iranische Regierung ist Großbritannien und nicht US-Amerika der größte Widersacher: Ajatollah Ali Khamenei bezeichnete Großbritannien neulich als den "übelsten Feind" des Iran. Britische Banken sollen 1,6 Milliarden Pfund auf dem Konto des Khamenei-Sohns Mojtaba eingefroren haben. Der britische Botschafter in Teheran wird fast täglich ins Außenministerium zitiert, seine Ausweisung steht bevor. Bereits ausgewiesen wurde der BBC-Korrespondent, die Ausstrahlung des britischen Senders wird blockiert.
Ahmadinedschad warnte Gordon Brown, er solle endlich mit seiner Einmischung in iranische Angelegenheiten aufhören. Die Behauptungen, der britische Geheimdienst stecke hinter dem Selbstmordattentat und dem gescheiterten Anschlag auf ein Flugzeug vor kurzem im Iran, sind natürlich unsinnig, aber das Misstrauen gegenüber Großbritannien hat historische Gründe. Es geht auf napoleonische Zeit zurück. Damals versprachen die Briten Unterstützung, damit die Iraner die Russen aus dem britisch besetzten Indien fernhielten, doch die Briten verrieten sie und beuteten ihre Bodenschätze aus.
Londons liberale und neokonservative Elite ist überzeugt, dass westliche Demokratien eine transformatorische Kraft entwickeln, wenn sie in unterdrückte Gesellschaften exportiert werden. Dieser Glaube ist auch durch die Fehlschläge der Vergangenheit nicht erschüttert worden. Diese Leute ziehen die Demonstrationen im Iran als Argument dafür heran, dass man den Umsturz unterstützen müsse.
Im Februar 2003 demonstrierten in London Hunderttausende gegen den Irakkrieg. Das Recht auf freie Meinungsäußerung, selbst wenn sie massenhaft ausgedrückt wird, hat auch in Großbritannien noch nie die Entscheidungen der Staatsführung beeinflusst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pressekonferenz in Mar-a-Lago
Trump träumt vom „Golf von Amerika“
Bürgergeld-Populismus der CDU
Die Neidreflexe bedient
Verkehrsranking
Das sind die Stau-Städte
Anbiederungen an Elon Musk
Der deutsche Kriecher
Religionsunterricht
Deutschlands heilige Kuh
Habeck-Werbung in München
Grüne Projektion