Kommentar Irakische IS-Offensive: Die Saat für ein künftiges Desaster
Die Einbindung schiitischer Milizen in die Rückeroberung Tikrits lässt Schlimmes ahnen – für die mehrheitlich sunnitische Bevölkerung der Region.
Beten hilft: ein schiitischer Kämpfer vor der Offensive. Bild: reuters
Es ist die größte Bodenoperation, die bisher gegen die Dschihadisten des IS unternommen wurde. Die Offensive mit 30.000 Soldaten und Kämpfern, die jetzt zur Rückeroberung der irakischen Stadt Tikrit, dem symbolisch wichtigen Geburtsort Saddam Husseins begonnen hat, ist auch der erste große Test für die Kampfkraft der regulären irakischen Armee.
Die hatte sich bisher vor allem einen Hasenfuß-Ruf erworben, als sie im letzten Sommer panisch in ganzen Divisionen vor den Dschihadisten des IS davongelaufen war – und das gesamte US-Waffenarsenal zurückgelassen hatte. Ist diese neue Offensive erfolgreich, öffnet sie auch den Weg, die nordirakische Stadt Mossul wieder aus den Händen des IS zu entreißen.
So weit, so gut. Doch ist in die Operation erfolgreich, ist bereits die Saat für ein künftiges Desaster angelegt. Denn an dieser neuen Offensive nehmen auch ganz offen schiitische Milizen teil. Und die haben sich bei den kleineren Offensiven in den letzten Monaten vor allem dadurch einen Namen gemacht, in den von ihnen eroberten sunnitischen Orten gewütet zu haben. Willkürliche Morde und das Niederbrennen von Häusern sind von Menschenrechtsorganisationen ausführlich dokumentiert.
Für die schiitischen Milizionäre ist jeder Sunnit, der nicht aus seinem Dorf vor der IS geflohen war, ein potentieller Kollaborateur. Dazu kommt der irakische Innenminister Mohammed Ghabban, der mit den nachrückenden Polizeitruppen dann für Sicherheit sorgen soll. Er hat eine ausgewiesene schiitische Milizvergangenheit und damit auch sunnitisches Blut an den Händen.
Für die vorwiegend sunnitischen Bewohner von Tikrit und Umgebung heißt das: entweder sie fliehen in anderes sunnitisches Gebiet, das vom IS kontrolliert wird – das käme einer ethnischen Säuberung gleich. Oder sie bleiben in ihren Dörfern und fragen, wovor sie mehr Angst haben – von den Schergen des IS terrorisiert oder er von schiitischen Milizen massakriert zu werden.
Mit ihrer hohen Kampfmoral mögen die Milizen ein effektives Instrument sein, die ebenso fanatisierten Dschihadisten zu bekämpfen. Aber hier wird der IS-Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben.
Kommentar Irakische IS-Offensive: Die Saat für ein künftiges Desaster
Die Einbindung schiitischer Milizen in die Rückeroberung Tikrits lässt Schlimmes ahnen – für die mehrheitlich sunnitische Bevölkerung der Region.
Beten hilft: ein schiitischer Kämpfer vor der Offensive. Bild: reuters
Es ist die größte Bodenoperation, die bisher gegen die Dschihadisten des IS unternommen wurde. Die Offensive mit 30.000 Soldaten und Kämpfern, die jetzt zur Rückeroberung der irakischen Stadt Tikrit, dem symbolisch wichtigen Geburtsort Saddam Husseins begonnen hat, ist auch der erste große Test für die Kampfkraft der regulären irakischen Armee.
Die hatte sich bisher vor allem einen Hasenfuß-Ruf erworben, als sie im letzten Sommer panisch in ganzen Divisionen vor den Dschihadisten des IS davongelaufen war – und das gesamte US-Waffenarsenal zurückgelassen hatte. Ist diese neue Offensive erfolgreich, öffnet sie auch den Weg, die nordirakische Stadt Mossul wieder aus den Händen des IS zu entreißen.
So weit, so gut. Doch ist in die Operation erfolgreich, ist bereits die Saat für ein künftiges Desaster angelegt. Denn an dieser neuen Offensive nehmen auch ganz offen schiitische Milizen teil. Und die haben sich bei den kleineren Offensiven in den letzten Monaten vor allem dadurch einen Namen gemacht, in den von ihnen eroberten sunnitischen Orten gewütet zu haben. Willkürliche Morde und das Niederbrennen von Häusern sind von Menschenrechtsorganisationen ausführlich dokumentiert.
Für die schiitischen Milizionäre ist jeder Sunnit, der nicht aus seinem Dorf vor der IS geflohen war, ein potentieller Kollaborateur. Dazu kommt der irakische Innenminister Mohammed Ghabban, der mit den nachrückenden Polizeitruppen dann für Sicherheit sorgen soll. Er hat eine ausgewiesene schiitische Milizvergangenheit und damit auch sunnitisches Blut an den Händen.
Für die vorwiegend sunnitischen Bewohner von Tikrit und Umgebung heißt das: entweder sie fliehen in anderes sunnitisches Gebiet, das vom IS kontrolliert wird – das käme einer ethnischen Säuberung gleich. Oder sie bleiben in ihren Dörfern und fragen, wovor sie mehr Angst haben – von den Schergen des IS terrorisiert oder er von schiitischen Milizen massakriert zu werden.
Mit ihrer hohen Kampfmoral mögen die Milizen ein effektives Instrument sein, die ebenso fanatisierten Dschihadisten zu bekämpfen. Aber hier wird der IS-Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben.
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Schwerpunkt Syrienkrieg
Kommentar von
Karim El-Gawhary
Autor*in
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