Kommentar Investor auf Pauli: Immer Ärger mit der Roten Flora
Die Rote Flora ist über Hamburg hinaus als Autonomes Kulturzentrum berüchtigt. Nun ist ein windiger Investor aufgetaucht – auch dank der SPD.
B estätigt ist noch nichts, aber schon die Gerüchte um einen Verkauf des Autonomen Zentrums Rote Flora bringen die Hamburger SPD in eine missliche Lage: Sie selbst hat die Ruine 2001 privatisiert, um der CDU den Wahlkampfhit „rechtsfreier Raum“ aus der Hand zu schlagen. Die Wahl verlor sie trotzdem.
Jetzt fällt den Sozialdemokraten auf die Füße, dass sie bei der Auswahl des Käufers seinerzeit nicht genau genug hingesehen haben: Klausmartin Kretschmer, der sich damals als lässiger „Kulturinvestor“ gerieren konnte, hat sich als windiger Spekulant entpuppt.
Sein Imperium bröckelt; schon seit geraumer Zeit versucht er, die Stadt zu einem Rückkauf der „Schrottimmobilie in Spitzenlage“ zum mindestens fünfzehnfachen Preis zu bewegen – gern auch mit dem Verweis auf die Krawalle, die mindestens Hamburg, vielleicht aber sogar Europa erschüttern würden, wenn er oder ein möglicher Käufer von seinen Eigentümerrechten Gebrauch machte. Die autonome Szene ist gut genug vernetzt, um Angriffe auf das, was sie für ihres hält, mit Erschütterungen der Innenstädte von Stockholm bis Thessaloniki zu beantworten.
Das fürchtet die Hamburger Politik aber weniger als den Verlust der Flora selbst: Es ist in Hamburg längst erklärter politischer Wille, dass die Flora bleibt, was sie ist. Damit ist eine einst unruhige linksradikale Szene weit gehend beruhigt und beschäftigt.
Und für das Hamburger Stadtmarketing sind die pittoreske Ruine mitten im hippen Schanzenviertel ebenso wie Teile des dort stattfindenden Kulturprogramms zum Standortfaktor geworden, der der aalglatten Oberfläche der Stadt einen dringend nötigen Kratzer zufügt. Wenn an ihre Stelle der nächste Glaspalast träte, wäre das ein weiterer Beleg dafür, dass die SPD nicht willens oder in der Lage ist, der Gentrifizierung entgegenzutreten.
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