Kommentar Integrationskurse: Wo die Integrationsmuffel sitzen
Die Qualität der Integrationskurse verschlechtert sich. Die Regierung schuf daher die Mär vom "Integrationsverweigerer". Doch die Muffel sitzen in der Regierung.
D ie Integrationskurse sind das Vorzeigeprojekt der Bundesregierung, wenn es um die Einbindung von Zuwanderern geht. Auf den ersten Blick sind sie ein Erfolg: Die Zahl derjenigen, die freiwillig daran teilnehmen wollen, ist größer als die jener, die dazu verpflichtet werden. Zeitweise standen darum im vergangenen Jahr sogar mehrere Tausend Zuwanderer auf Wartelisten.
Erst auf den zweiten Blick zeigen sich Mängel. So reicht das Angebot an Integrationskursen nicht aus, um die Nachfrage zu befriedigen. Mancherorts werden sie gar nicht angeboten. Auch die Finanzierung der Kurse ist ein fortwährendes Ärgernis. Die Lehrkräfte - ganz überwiegend Frauen - sind notorisch unterbezahlt.
Statt einer Entlohnung, die sich nach der Zahl der Kursteilnehmer richtet, fordert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für sie deshalb ein festes Mindesthonorar. Hinzu kommt, dass die Erfolgsquote zu wünschen übrig lässt. So erreichte im Jahr 2009 nur jeder Zweite, der seinen Kurs mit einer Prüfung abschloss, das geforderte Sprachniveau.
ist Parlamentskorrespondent der taz.
Trotzdem gibt es bislang keine Maßnahmen, um die Qualität der Integrationskurse zu verbessern. Im Gegenteil: Der Sparzwang hat bewirkt, dass sich das Angebot sogar noch verschlechtert hat. Um von diesem Versagen abzulenken, hat der damalige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) im vergangenen Herbst eine Mär in die Welt gesetzt: die vom "Integrationsverweigerer", der sich angeblich vor seinem Kurs drückt.
Im Frühjahr beschloss die Regierung, Kursverweigerern mit Sanktionen zu Leibe zu rücken. Dabei zeigt die Entwicklung von Kursen und Teilnehmerzahlen klar an, wo die wahren Integrationsmuffel sitzen: in der Regierung, der Sparen über alles geht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen