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Kommentar IntegrationsgipfelAlles nur Show

Ralf Pauli
Kommentar von Ralf Pauli

Beim neunten Integrationsgipfel wurde wie immer die Leier vom defizitären Migranten abgespielt. Was der Staat leisten müsste, blieb ausgeblendet.

Beim Thema Integration scheint die Bundesregierung eher auf dem Schlauch zu stehen: Merkel zu Besuch bei der Jugendfeuerwehr in Berlin-Wedding Foto: dpa

E in bisschen Lob, tolle Fotos mit der Bundeskanzlerin und keine Chance für die wichtigsten Forderungen der Migrantenverbände: Das bleibt vom neunten Integrationsgipfel, der am Montagabend im Kanzleramt zu Ende ging.

Eine Einstellungsquote im öffentlichen Dienst? Lieber nicht. Ein Passus, der Deutschland im Grundgesetz als Einwanderungsland bezeichnet? Geht ein bisschen zu weit. Ein besserer gesetzlicher Schutz vor Diskriminierung? Überflüssig.

Beim Integrationsgipfel, der seit 2006 Migrantenverbände mit der Bundesregierung zusammen bringt, sind die Rollen ähnlich verteilt wie bei den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Auf der einen Seite die Bittsteller, die einfach gern dabei sein wollen. Auf der anderen Seite die Bremser, die Dinge in Aussicht stellen – dann aber lieber von Hürden und Defiziten sprechen.

Eine Einstellungsquote im öffentlichen Dienst? Lieber nicht. Ein Passus, der Deutschland im Grundgesetz als Einwanderungsland bezeichnet? Geht ein bisschen zu weit

So lobte Angela Merkel die Weddinger Jugendfeuerwehr als Paradebeispiel für gelungene Integration – das Motto dieses Jahr ist Teilhabe – , betonte aber gleichzeitig, welche Leistung die zu Integrierenden bringen müssten: das Erlernen der deutschen Sprache und die Achtung des Wertesystems. Wer mehr erwartet hatte angesichts der derzeit offen gelebten Fremdenfeindlichkeit in vielen Teilen des Landes, wurde enttäuscht. Merkel warb in ihrer Rede zwar dafür, für ein „offenes Deutschland einzutreten“. Dabei dachte sie jedoch weniger an Rassisten in Heidenau oder Bautzen, sondern an Donald Trump.

Es ist die gleiche Leier vom defizitären Migranten. Beim ersten Integrationsgipfel 2006 wollte die Union lieber über Sanktionen für verweigerte Integration sprechen als über die Frage, wie sie gelingen kann. Im Jahr darauf stellte das reformierte, in den Augen einiger Verbände diskriminierende, Zuwanderungsgesetz das Treffen komplett in den Schatten. Und vergangenes Jahr gerieten die Alteingesessenen vor lauter neuen „Problemmigranten“ fast in Vergessenheit. Die Regierung reagierte: Integrationsfähigkeit ist nun von der Bleibeperspektive abhängig.

Dass auch die Bundesregierung ihren Teil zur Integration beitragen muss, hört man, wenn überhaupt, nur ganz leise. „Die Bundesrepublik Deutschland fördert die gleichberechtigte Teilhabe, Chancengerechtigkeit und Integration aller Menschen.“ So könnte es im Grundgesetz stehen. Viel wahrscheinlicher ist aber ein neues Zuwanderungsgesetz. Es soll den Fachkräftemangel im Land beheben – mit Migranten erster Klasse. Für sie wird die Regierung gerne aktiv.

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Ralf Pauli
Redakteur Bildung/taz1
Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.
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7 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Ja, das sind schlimme Zustände, die Sie da beschrieben.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Eine Einstellungsquote im öffentlichen Dienst? Lieber nicht."

     

    Letztens ahbe ich mich gewundert, dass sämtliche Lehrer an der Grundschule meines Sohne in die Kategorie "Unter-40" fallen. Das Durchsichten der Lehrerkollegien der 4 Grundschulen in unserer Nähe (zwischen Köln und Bonn) hat neben der Tatsache, dass 95% der Grundschullehrer unter 40 sind, ergeben, dass unter den etwa 70-80 Lehrer alle, aber wirklich auch alle, deutsche Namen und mitteleuropäische Gesichter hatten.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Und was ist daran kritikwürdig oder auffällig?

  • liebe migranten-verbände:

     

    sich eigene fähigkeiten anzueignen, ist nicht erstrangige aufgabe des staates, sondern die des individuums.

     

    der staat hält dann die tür bereit, die es auch dann selbstständig zu öffnen gilt.

  • Verstehen kann ich Merkel gut. Jetzt, wo es nicht mehr opportun scheint, die eigne Klientel zu gängeln (sie wendet sich sonst andren Führern zu), muss sie sehr dankbar sein für jeden einzelnen Migranten, der freiwillig zuhört, wenn sie ihre ewig "gleiche Leier" dreht. Wenn mensch im Jahre 2016 Macht will, kann er/sie/es das nicht mehr mit seiner Geburt begründen, sondern nur noch mit der Behauptung, es gäbe da ein echtes Defizit bei den zu Führenden. Sie könnten ihren Weg ja sonst schließlich alleine finden. Vor allem, wenn an jeder zweiten Ecke jemand steht, der seine Arme ganz weit ausgebreitet hat.

     

    Nein, werte Angela Merkel, es gibt keine Mauer mehr, vor der scharfe Hunde ihre Runden drehen und eine Schießanlage lauert. Höchstens in den Köpfen mancher Spätzünder existieren Teile davon fort. Es ist also verdammt riskant, seine politische Laufbahn abhängig zu machen vom Glauben an Autoritäten, die rein virtuell sind, solange sie die Gewalt-Karte nicht spielen können oder wollen. Die Grünen und die SPD werden nicht ewig zur Verfügung stehen können als Lieferanten williger "Bittsteller, die einfach gern dabei sein wollen", schätze ich. Sie sollten also lieber selber "liefern" - bevor das demokratische Prinzip an den Grenzen der Autorität sein Ende findet. Danach ist es für unabsehbare Zeit einfach zu spät.

    • @mowgli:

      Worauf bezieht sich bitte Ihr bedenkenswerter Essay?

  • Ein solcher Passus wäre gegen den Geist der Verfassung, und damit gegen das Gebot von Artikel 20. Die Verfassung hat einen nativistischen Kern, an dem man nicht rücken darf. Dass man an diesem Kernbestand nicht rücken darf ist eine Konsequenz aus Terror und Gewaltherrschaft.