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Kommentar IntegrationErfolgreiche Migranten

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Nordrhein-Westfalens erster Integrationsbericht zeigt, dass der Anteil der Eingebürgerten, der die Hochschulreife erreicht, höher ist als bei Deutschstämmigen.

Eigentlich ist es nur eine kleine statistische Veränderung. Nordrhein-Westfalens erster Integrationsbericht vergleicht nicht mehr nur, wie sonst vielerorts üblich, Deutsche und Ausländer. Er listet auch die eingebürgerten Migranten gesondert auf. Damit wirft er einen realistischeren Blick auf die Integration - und offenbart zwei Probleme der dazugehörigen Debatte: Es ist überfällig, sich vom ethnisch und religiös geprägten Stereotyp des Migrantenjugendlichen als Bildungsversager zu verabschieden. Das Problem ist ein soziales. Und der Bericht zeigt auch, wie schlecht die Datenlage zur Integration hierzulande noch immer ist.

Natürlich gibt es massive Probleme bei der Bildung von Migrantenkids. Ohne Kampf gegen mangelhafte Deutschkenntnisse, das Fehlen von Schulabschlüssen und geringe Abiturquoten wird es nicht klappen mit der Integration. Doch der Bericht aus NRW zeigt auch: Der Anteil der Eingebürgerten, der die Hochschulreife erreicht, ist höher als bei den herkömmlichen Deutschen. Und bei der Erwerbsquote haben sie diese fast eingeholt. Es gibt sie, die Erfolgsgeschichten. Sie kommen meist aus der Mittelschicht - und sind längst keine Ausnahme mehr. Diese Tatsache muss endlich ihren Niederschlag finden im gesellschaftlichen und politischen Diskurs, den noch immer Mängel und Gefahren dominieren.

Zudem ist eine bessere Datenlage in Sachen Integration vonnöten. Mit dem Erhalt des deutschen Passes wechseln Eingebürgerte, häufig gut integrierte und erfolgreiche Migranten, in der Statistik die Seite. Sie gehen in den Deutschen auf - und damit verlieren die Statistiken ihre Aussagekraft. Auch fehlten bislang festgesetzte Indikatoren, an denen Integration gemessen werden kann. NRW hat dies geändert, auch der Bund will das tun. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), hat dazu jüngst einen Katalog vorgelegt. Doch ob die hundert mitunter recht willkürlich anmutenden Kriterien von Zahnpflege und Body Mass Index über Kinderzahl bis zur Arbeitslosigkeit Sinn machen, ist fraglich. Dabei ist es höchste Zeit, dass der Erfolg von Integrationspolitik messbar wird. Und damit überprüfbar.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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2 Kommentare

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  • P
    Pulis

    Hm, Frau am Orde, vielleicht ist das Problem nicht wirklich "ein soziales". Was immer das heißen mag. Vielleicht eher ein individuelles. Von den MigrantInnen, die sich um die Einbürgerung bemühten, haben evtl. viele ein Interesse, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Sprachlich und beruflich. Das liegt dann allerdings nicht am deutschen Paß an sich. Sonst müßte der -evtl. hergeschenkte- deutsche Paß automatisch gute Sprachkenntnisse und Integretaion mit sich bringen. Tut er nicht.

  • K
    Krause

    Warum ist es überfällig, "sich vom ethnisch und religiös geprägten Stereotyp des Migrantenjugendlichen als Bildungsversager zu verabschieden". Da ist doch gerade das Ergebnis der Studie, soweit unsere türkischen Mitbürger betrifft. Die Abweichungen bei dieser Bevölkerungsschicht sind so erheblich, dass Sie nicht nur sozial begründet sein können. Vielleicht hängt dies ja doch mit dem mangelnden Stellenwert von Bildung zusammen, wie man ihn ja überall in der muslimischen Welt beobachten kann - wie auch aus Erfahrungsberichten von deutschen Hauptschulen.