Kommentar Immunität der Abgeordneten: Wenn aus Schutz Bedrohung wird
Im Fall Edathy wurde der Immunitätsausschuss nicht eingeschaltet. In einer gefestigten Demokratie ist ein Sonderschutz der Abgeordneten überholt.
F rage: Ist die Immunität der Abgeordneten überholt, ja sogar gefährlich? Das legt das Magazin Der Spiegel jetzt mit gleich zwei Beiträgen nahe. Tenor: Die Immunität sei abzuschaffen oder einzuschränken, weil bei Ermittlungen jeweils andere Abgeordnete informiert werden müssen. So würden unnötig Mitwisser geschaffen, die den Betroffenen warnen oder die Presse informieren können.
Im Fall Edathy wurden die Ermittlungen allerdings sicher nicht durch die Immunität des Abgeordneten behindert. Wenn Edathy gewarnt war, dann durch Medienberichte über Ermittlungen in Kanada, vielleicht auch durch Informanten im niedersächsischen Sicherheitsapparat – aber nicht durch Kollegen aus dem Immunitätsausschuss des Bundestags.
Auch die Öffentlichkeit wurde über die Kinderporno-Ermittlungen nicht von Edathys Kollegen informiert, sondern von einem Lokalreporter, der über die Hausdurchsuchung bei Edathy berichtete. Er wiederum habe davon von Nachbarn erfahren.
Tatsächlich musste im Fall Edathy der Immunitätsausschuss gar nicht eingeschaltet werden, weil Edathy sein Mandat „aus gesundheitlichen Gründen“ parallel zur Aufnahme von Ermittlungen äußert eilig bereits niedergelegt hatte. Um zu verhindern, dass andere Abgeordnete von dem rufgefährdenden Verdacht erfahren, hat Edathy sich wohl einfach aus der Immunität geflüchtet.
Er dürfte sich an den Fall seines SPD-Kollegen Jörg Tauss erinnert haben, wo wahrscheinlich eine undichte Stelle im Immunitätsausschuss die Presse vom Kinderporno-Verdacht unterrichtete. Wenn die Immunität aber zur Bedrohung wird, aus der man zu flüchten versucht, dann hat sie ihren Sinn tatsächlich verloren. Im demokratisch gefestigten Staat ist ein Sonderschutz der Abgeordneten ohnehin überholt.
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