Kommentar Hungerstreik der Palästinenser: Kein Timoschenko-Effekt
Der gewaltlose Widerstand der palästinensischen Gefangenen hat sich gelohnt. Haftbedingungen werden gelockert. Fatal ist das Desinteresse der Politik und der Medien.
W enn Palästinenser zur Gewalt greifen, dann hebt man im Westen gerne den mahnenden Zeigefinger. Wenn sie sich aber zum gewaltlosen Widerstand entschließen, dann werden sie ignoriert. Das hat fatale Auswirkungen.
Dabei ist es eine gute Nachricht, dass die 1.600 palästinensischen Gefangenen, die in israelischen Gefängnissen sitzen, ihren über vier Wochen währenden Hungerstreik jetzt abgebrochen haben.
Dass ihre Haftbedingungen gelockert werden sollen, zeigt, dass sich gewaltloser Widerstand lohnen kann. Gut möglich, dass dieser Erfolg die verbliebenen militanten Gruppen dazu animiert, vom bewaffneten Kampf abzulassen. Ob sie das tun, hängt aber auch vom europäischen Engagement für eine friedliche Lösung des Konflikts ab.
Skeptisch stimmt dabei, wie wenig Notiz deutschen Medien und Politiker von diesem größten Hungerstreik in der Geschichte des Nahost-Konflikts genommen haben – dabei war fast jeder dritte palästinensische Gefangene in israelischer Haft daran beteiligt.
ist Redakteur für Integration und Migration im Inlandsressort der taz.
Zuletzt spielte man sich hierzulande als Anwalt der Menschenrechte auf, als deutsche Politiker und Medien die Haftbedingungen der ukrainischen Oppositionsführerin Julia Timoschenko kritisierten. Gegenüber einem Verbündeten wie Israel aber bleibt man stumm.
Das gilt nicht nur mit Blick auf die Palästinenser in israelischer Haft. Das gilt auch für die fortwährende Blockade des Gazastreifens und das andauernde Besatzungsregime im Westjordanland, was beide Gebiete zu großen Freiluftgefängnissen macht und Millionen Menschen ihrer Freiheit und Würde beraubt.
Wenn Europa weiter solches Desinteresse zeigt, droht die Gefahr, dass einzelne Palästinenser wieder zur Gewalt greifen. Das wird ihre Lage nicht verbessern. Aber damit winkt ihnen zumindest wieder Aufmerksamkeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich