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Kommentar HühnerschlachthofSchlachten fürs Monopol

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Der Mega-Schlachthof wird die Industrialisierung der Geflügelhaltung beschleunigen. Der Staat könnte diesen Trend abschwächen, wenn er Subventionen nur noch gezielt einsetzt.

E s sind Dimensionen, die erschaudern lassen: Jährlich 130 Millionen Hühner sollen in dem geplanten Schlachthof im niedersächsischen Wietze in Akkordarbeit getötet werden. Damit wäre die Anlage der größte Geflügelschlachthof Europas. Zu Recht fürchten Bürgerinitiativen, dass dann täglich mehr als 100 Lastwagen durch den Ort brettern werden, um die Schlachttiere anzuliefern. Und dass der Betrieb das Grundwasser belasten könnte. Aber die negativen Folgen reichen über das Dorf Wietze hinaus.

Denn der Mega-Schlachthof wird die Industrialisierung der Geflügelhaltung in Deutschland beschleunigen. Wo ein Schlachthof ist, da sind auch Ställe, die die Tiere liefern. 400 neue Anlagen mit jeweils 40.000 Hühnern sollen es in diesem Fall sein. In solchen Massenbetrieben verkommt das Tier zur bloßen Produktionseinheit - für Tierschützer ein unhaltbarer Zustand. Wegen der schieren Masse der Hühner sind die Geruchs- und Wasserbelastungen durch den Kot an einem Ort höher, als wenn sie auf mehrere Orte verteilt werden. Und die riesigen wie Blechbatterien aussehenden Ställe verschandeln zudem touristisch attraktive Landschaften.

Die Bauern verlieren in diesem System an Unabhängigkeit, das zeigen die Erfahrungen an anderen Standorten. Sie liefern meist ausschließlich an einen Schlachthof und müssen das Futter von derselben Firma beziehen. Schon jetzt ist absehbar, dass die großen Mastanlagen mehr produzieren werden, als Hähnchenfleisch verkauft werden kann. Experten sehen pro Jahr nur Bedarf für 80 neue 40.000-Tiere-Ställe. Geplant sind bundesweit aber etwa 900 Anlagen. Die Folge ist ein Verdrängungswettbewerb, in dem nur die größten Unternehmen überleben, die am billigsten produzieren. Viele kleine Familienbetriebe werden auf der Strecke bleiben, die Konzentration wird zunehmen. So ist es auch in anderen Bereichen der Landwirtschaft - ob bei der Milch oder beim Schweinefleisch. Irgendwann leiden darunter auch die Verbraucher, denn wenige Konzerne legen dann Qualität und Preise fest.

Die Politik kann diesen Trend abschwächen. Der Staat sollte Subventionen nur noch für Betriebe vergeben, die besonders tier- und umweltfreundlich sind oder für ihre Größe viele Arbeitsplätze bieten. Dafür zu kämpfen lohnt sich gerade jetzt: Dieses Jahr werden in Brüssel die ersten Weichen gestellt für eine Reform des Beihilfesystems.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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6 Kommentare

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  • S
    Schröder

    Europas größter Schlachthof soll im Spätsommer in Wietze in Betrieb gehen

     

    Die Produktionsbedingungen der industrialisierten Massentierhaltung und dessen Folgen sind uns Lesern ja hinreichend bekannt.

    Ein erster Schritt in die richtige Richtung war die Demo auf der grünen Woche in Berlin mit über 20.000 Demonstranten. Jetzt ist es für Verbraucher und Erzeuger wichtig den Druck auf die Landes - und Bundespolitiker weiter zu erhöhen.

    Eine Großdemo in Wietze direkt am Mega - Schlachthof im Spätsommer 2011 !

    Das Bündnis "Bauernhöfe statt Argrarfabriken" und die Bürgerinitiative- Wietze sind jetzt gefordert eine solche Großveranstaltung zu organisieren.

  • B
    Brigitta

    das Sparpaket geht zulasten der Menschen, die sich, wenn überhaupt, nur billiges Fleisch leisten können, und die Betreiber der Mastanlagen kassieren Subventionen, von denen kleine Familienbetriebe nur träumen können. Äh, die Logik unserer Politiker?

     

    Für sämtliches Wirtschaftsgeflügel in Deutschland werden höchstens 600 Arbeitskräfte benötigt - als 2006 wegen der Stallpflicht viele Freilandgeflügelhalter aufgeben mußten, wurden damit mehrere tausend (!!!) Arbeitsplätze vernichtet.

  • A
    Antonietta

    Nur fünf Wochen Lebenszeit werden einem Masthähnchen zugestanden. Ein Quadratmeter ist der gesamte Lebensraum für 25 Tiere. Bis zu 8 Prozent, das sind jährlich rund 3 Millionen Tiere, sterben bereits während der Mast. Die Schlachtung bei völlig unzureichender Betäubung im Elektrobad beendet ein elendes Leben voller Qualen.

  • DS
    Dieter Schwarz

    Schleunigst hinterfragt werden sollten in den Ländern die Förderrichtlinien der Landwirtschaftsministerien, ohne die eine solche Flut von Massentieranlagen in Norddeutschland gar nicht denkbar wäre. Clevere Investoren mit gutem Kontakt beantragen in Vorpommern am gleichen Platz und in einem Verfahren schon mal zwei Hähnchenmastanlagen mit einer Belegung von jeweils 200.000(!)Tieren in 35 Tagen Mastzeit und können somit sogar die Obergrenze der Zuschüsse locker verdoppeln. Wenn ein Viertel der Investition als Zuschüsse von "Europa", Bund und Land kommt, fällt es den agrarischen Großkonzernen nicht schwer, bei unbedarften Kommunalpolitikern und Genehmigungsbehörden als Wohltäter und Arbeitsplatzbeschaffer aufzutreten. Dabei weiß jedermann, dass in den vollautomatisierten Betrieben nur wenig Arbeit anfällt und auch Baumaßnahmen von auswärtigen Spezialfirmen durchgeführt werden.

  • G
    Grün

    Viele Dank für diesen Kommentar!

     

    Die Zahlen klingen erschreckend und sind es auch; doch bei aller berechtigter Kritik sollte nicht vergessen werden, dass auch in den "kleinen Familienbetrieben" Tiere ausgebeutet und schließlich umgebracht werden. Es werden schon heute über 350 Millionen(!!!) Hühner pro Jahr allein in Deutschland ermordet. Dass Individuum und die Würde sind schon längst auf der Strecke geblieben.

     

    Wer nachhaltige und moralische Lösungen fordert und umgesetzt sehen möchte, sollte nicht "Subventionen für besonders tierfreundliche Betriebe" fordern, sondern vielmehr auf eine vegane Lebensweise hinweisen.

  • PB
    Pater Brown

    Jedoch, was tut die Politik? Sie f;rdert diesen Irrsinn mit unseren Steuergeldern. Und dr[ckt das Projekt gegen den Willen der Bev;lkerung durch. Beim n'chsten Mal bitte anders w'hlen!