Kommentar Höhere Strafe für Stalking: So schlimm wie ein Faustschlag
Stalkingopfer sind oft schwer traumatisiert, doch die Täter kommen meist davon. Das derzeitige Gesetz ist eindeutig zu nachsichtig.
D a wird jemand über Jahre hinweg verfolgt, belästigt, drangsaliert, auf Neudeutsch: gestalkt. Stalkingopfer sind in der Regel schwer traumatisiert, ihr Leben besteht vor allem aus Bedrohung und Angst. Fachleute nennen diese Art der Drangsalisierung psychische Gewalt. Die bestraft gehört.
Aber die Täter kommen meist davon. Der sogenannte Stalkingparagraf greift nur, wenn das Leben des Opfers sichtbar beeinträchtigt ist: wenn es umzieht und sich nicht mehr aus dem Haus traut. Bleibt es „standhaft“ und versucht, nach außen hin normal weiterzuleben, bekommt es so gut wie keinen juristischen Beistand.
Das will Justizminister Heiko Maas jetzt zu Recht ändern: Stalker sollen es künftig nicht mehr so leicht haben und Opfer sollen besser geschützt werden.
Das aktuelle Gesetz ist eindeutig zu nachsichtig. Warum soll Seelenqual weniger massiv sein als ein Schlag mit der Faust? Längst ist erwiesen, dass psychische Gewalt heftigere und längerfristige Folgen hervorrufen kann als körperliche Angriffe. Mitunter leiden Betroffene ihr Leben lang an Schlafstörungen, einem schlechten Immunsystem, Depressionen. Einige Stalker treiben ihr Opfer in den Selbstmord.
Manche Opfer empfinden es als zusätzliche Pein, wenn sie bei der Polizei Anzeige erstatten, dort aber belächelt und wieder heimgeschickt werden. Sie empören sich über Gerichte, die in ihren Augen für den Täter und nicht für das Opfer entscheiden. Auch wenn seelisches Leid schwer messbar ist: Warum reichen bescheinigte Psychotherapien, ärztliche Atteste und dokumentierte Dauerbelagerung als Beweise für eine Strafverfolgung nicht aus?
Für die Opfer ist es so oder so schwierig. Wenn sie Taten fotografieren, Mails speichern und Drohbriefe archivieren müssen, konzentriert sich ihr Alltag erst recht auf den Täter. Das kann nicht im Sinne des Rechtsstaats sein.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen