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Kommentar Hessen-DramaDas Dilemma der Linkspartei

Daniel Schulz
Kommentar von Daniel Schulz

Im Bündnis mit Ypsilanti und den Grünen hätte die Linke ihr dröges 70er-Jahre-Sozialstaatsprofil überprüfen und erneuern können. Das fällt nun leider aus.

Das Drama von Hessen nutzt der Linkspartei. Lange Zeit mussten sich die Gefolgsleute von Oskar Lafontaine als unzurechnungsfähige Chaostruppe verhöhnen lassen. Doch im hessischen Regierungspoker zeigten sie sich als verlässlicher Partner, während die SPD im Chaos versinkt. Fraktionschef Willi van Ooyen und seine Parteikollegen haben alles richtig gemacht: Sie standen fest zur Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung. Und sie kamen nicht dazu, zentrale Wahlversprechen zu brechen - diese Verlegenheit haben ihr die Abweichler in der SPD erspart.

Mit einer Linken auf Ypsilanti-Kurs wäre manches anders gekommen. Hätte die Linke angesichts von Haushaltsloch und Finanzkrise auf ihrer Forderung nach null Personalabbau bestehen können? Wir werden es wohl nie erfahren. Nun kann sie einen doppelten Bonus verbuchen: verlässlich wie eine Regierungspartei - und unbeugsam wie Revolutionäre. Bei künftigen Wahlen wird ihr das zugutekommen.

Durch das Scheitern in Wiesbaden verliert die Linke aber auch eine politische Option. Wenn sie weiter erstarkt, wird das die SPD noch mehr verunsichern. Außerdem jährt sich im kommenden Jahr der Mauerfall zum 20. Mal. Die CDU wird diese Gelegenheit nutzen, um ihre Angriffe auf die Linke zu verstärken. Der aktuelle Streit über einen Antisemitismus-Beschluss im Bundestag gibt bereits einen Vorgeschmack darauf. Wie viele Landesverbände der SPD werden sich in einer solchen Stimmung trauen, ein Bündnis mit der Linken einzugehen? Damit sinken die Chancen der Linken auf weitere Regierungsbeteiligungen. Natürlich lässt sich aus der Opposition Politik machen - das wollen vor allem viele in der West-Linken. Aber die Erfolge kommen langsam und werden dem zugerechnet, der an der Macht ist.

Das Drama von Hessen bringt für die Linke noch einen Nachteil mit sich. Solange die Partei mit ihren aktuellen Rezepten Erfolg hat, bleiben diejenigen ungehört, die sie weiblicher, ökologischer und innovativer gestalten wollen.

Im Bündnis mit Ypsilanti und den Grünen hätte die Linke ihr dröges 70er-Jahre-Sozialstaatsprofil überprüfen und erneuern können. Das fällt nun leider aus.

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Daniel Schulz
Reportage und Recherche
Redakteur im Ressort Reportage und Recherche. Autor von "Wir waren wie Brüder" (Hanser Berlin 2022) und "Ich höre keine Sirenen mehr. Krieg und Alltag in der Ukraine" (Siedler 2023). Reporterpreis 2018, Theodor-Wolff-Preis 2019, Auszeichnung zum Team des Jahres 2019 zusammen mit den besten Kolleg:innen der Welt für die Recherchen zum Hannibal-Komplex.

2 Kommentare

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  • G
    Gobimann

    Also auf das Profil der TAZ lasse ich mich lieber ein, als auf das von spiegelonline. Habe Ypsilanti und Obama von der Mongolei aus auf beiden Seiten verfolgt. Der Bertelsmannclub fliegt endgültig aus der Lesezeichenleiste.

  • TB
    thomas bode

    "Im Bündnis mit Ypsilanti und den Grünen hätte die Linke ihr dröges 70er-Jahre-Sozialstaatsprofil überprüfen und erneuern können. Das fällt nun leider aus."

     

    Die Linke hat also ein 70er-Jahre-Sozialstaatsprofil? Und was hat dann die SPD, - ein 90er-Jahre-Neolib-Profil?

    Was hat dann die FDP?

     

    Und "überprüfen" heisst in Richtung "moderner" Marktliberalität oder grüner Profi-Losigkeit marschieren?

    Ich versteh gar nichts mehr, vor allem nicht das Profil der taz..