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Kommentar Hessen-DesasterAus der Traum

Kommentar von Ralph Bollmann

Das geplante Linksbündnis in Hessen ist gescheitert. Tot ist Rot-Rot in anderen Bundesländern damit aber noch nicht.

Bild: taz

Ralph Bollmann ist Ressortleiter im taz Parlamentsbüro.

Die CDU genoss am Montag still. Kaum ein prominenter Unionspolitiker kommentierte das finale Scheitern des geplanten Linksbündnisses in Hessen: Das Debakel der Sozialdemokraten sprach für sich selbst. Dabei schien sich die SPD nach ihrem Führungswechsel auf Bundesebene berappelt zu haben, ihre Aussichten für das Wahljahr 2009 schienen gar nicht so schlecht: Roland Koch in Hessen abgewählt, die CSU im Juni aus dem Europaparlament gekegelt, bei den Landtagswahlen im August die CDU-Regierungen im Saarland und in Thüringen abgewählt - all dies wäre, so der Plan, für die Wahl im Bund eine gute Vorlage gewesen.

Aus der Traum. Nach dem kläglichen Ende der Rot-Rot-Grün-Idee bleibt Koch im Amt - entweder mit neuem Bündnispartner oder, was wahrscheinlicher ist, nach Neuwahlen. Die Aussichten für 2009 ändert das vollkommen. Nicht nur wegen des verheerenden Eindrucks, den die SPD wieder einmal macht. Und nicht nur wegen der Dynamik eines möglichen schwarz-gelben Wahlsiegs gleich zu Jahresbeginn. Sondern auch, weil durch das klägliche Debakel in Hessen Rot-Rot auch andernorts schwieriger geworden ist. Durch die fehlende Machtalternative schrumpft auch das Gewicht der SPD in großen Koalitionen. Das Aus in Hessen kann deshalb auch SPD-Parteirechte nicht freuen.

Tot ist Rot-Rot in anderen Bundesländern damit aber noch nicht. Klar ist nur, wie ein solches Bündnis mit Sicherheit nicht einzufädeln ist: mit dem allzu offensichtlichen Bruch eines Wahlversprechens ohne jedes taktische Geschick - ohne den rechten Parteiflügel einzubinden und ohne eine formale Koalition einzugehen. Das hessische Experiment ist nicht nur an drei Heckenschützen gescheitert, die sich erst wenige Stunden vor der entscheidenden Abstimmung aus der Deckung wagten. Es ist auch daran gescheitert, dass Andrea Ypsilanti eine Art Basta-Politik von links betrieb. Sie versuchte, ihr ökosoziales Reformprogramm auf ähnliche Weise durchzusetzen wie Gerhard Schröder einst seine Sozialreformen. Eine solche Politik funktioniert aber nur für begrenzte Zeit. In Ypsilantis Fall war sie sehr begrenzt.

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8 Kommentare

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  • MW
    Marc Wessels

    Ein schwarzer Tag für Hessen, ein scharzer Tag für D, ein schwarzer Tag für die Demokratie.

  • H
    hto

    Deutschland ist eine anatomische Merkwürdigkeit: Es schreibt mit der Linken und tut mit der Rechten. (Kurt Tucholsky)

  • R
    runzbart

    Frau Ypsilanti Basta-Politik und Machtgier vorzuwerfen passt doch hinten und vorne nicht.

    Wieso hat sie denn den ersten Versuch, Ministerpräsidentin zu werden, bereits abgeblasen, als ihre rot-grün-rote Mehrheit "nur" eine Stimme betrug und dann Monate später, als sich herausstellte, dass der Politikwechsel sich mit wechselnden Mehrheiten nicht erreichen lässt, erst nach wochenlanger Befragung der Basis in Regionalkonferenzen einen zweiten Anlauf gestartet.

    Hätte sie den Versuch erst starten dürfen, wenn auch der letzte dem Projekt seinen ernstgemeinten, und nicht nur vorgetäuschten Segen gegeben hätte?!

  • J
    jensprien

    sehr gut der artikel zur pleite von frau ypsilanti.

    sie war zu ungeduldig. sie ist im widder geboren und hat einen hang, sich widerstände zu suchen. machthunger kann man in ihrem horoskop nicht erkennen. das ist eine böswillige unterstellung, aber sie handelt zu direkt und jeder durchschnittliche astrologe in hessen hätte ihr von diesem zeitpunkt abgeraten. sie sollte trotzdem ihren weg weitergehen. die chancen kommen noch.

    ihr wünsche ihr für die zukunft viel erfolg und bessere berater.

    l.g. jens prien astrologe aus der nordheide

  • AW
    alles wird gut

    Die Hessen-SPD ist grade noch rechtzeitig von ihrem selbstmöderischen Linkstrip runtergekommen, hoffen wir, dass die SPD überall so überzeugte Abgeodente hat, die sich der Machtübernahme durch die linken Tagträumer( von SPD und LINKE'r) in den Weg stellen.

  • EV
    Ergebnis von zweiflhaftem Ehrgeiz

    Sehen wir's doch mal so:

    Hätte es Frau Y geschafft,

    dann wäre das doch ein recht

    zweifelhafter Erfolg - eine

    Regierung von begrenzter

    Haltbarkeit. Eine Regierung,

    die sich ob ihrer dürftigen

    Mehrheit von Abstimmung zu

    Abstimmung zittern müsste

    und bei der geringsten

    Belastungsprobe zerbrechen

    würde.

     

    Hätte Frau Y ihrern Ehrgeiz

    statt in eine selbstsüchtige

    Inthronisierung als Minister-

    präsidentin in Neuwahlen

    gesteckt, dann hätte sie

    bestimmt eine große Mehrheit

    für die Abwahl von Roland Koch

    hinter sich gebracht.

     

    Aber das ist Schnee von Gestern.

    Und die SPD wird nach diesem

    bösen Erwachen so schnell nicht

    wieder träumen.

  • TB
    thomas bode

    Vorschlag zur Zukunft der SPD:

    Die ca. 75% echten Sozis in der SPD sollen austreten und zur Linkspartei wechseln. Dann gibt es wieder eine echte sozial orientierte Volks-Partei in Deutschland. Und die 25% Rest behalten die SPD die sie dann Kleinpartei und Alternative zur FDP weiter betreiben oder fusionieren gleich mit ihr.

  • KM
    Karl Marx p.h.

    So unrealohaft es klingt, lieber Ralph, Wer jetzt noch das Steuer herumreißen möchte, muss mehr als für eine Koalition, sondern für eine Vereinigung der Parteien als "Die Linke-SPD" plädieren. Nicht zuletzt von dem erbitterten Kampf zwischen Kommunisten und SPDlern hat die nationalsozialistische Bewegung profitiert. Da mag das heutige M(h)eucheln der vier "Gewissens-"täter nur als Treppenwitz der Geschichte erscheinen, über den ich dann erst lachen kann, wenn die Erschütterung in der SPD dazu führt, das sie sich für eine Seite klar entscheidet: Arbeit oder Kapital, beides zusammen war und ist der pure Unrealismus.