Kommentar Hendricks in Salzgitter: Programmiertes Chaos
Das Hin und Her um die Erweiterung des Atommüllendlagers Schacht Konrad zeigt: Die Debatte ist an die Wand gefahren.
E igentlich will Barbara Hendricks das Endlager Schacht Konrad nicht noch größer bauen lassen als ohnehin schon. Vielleicht macht sie es aber trotzdem. Bei ihrem Besuch am Dienstag in Salzgitter lavierte die Bundesumweltministerin um die Frage herum, wo der neu aufgetauchte schwach und mittelradioaktive Atommüll deponiert werden soll. Hendricks‘ Auftritt verdeutlicht einmal mehr, dass die deutsche Atommüllpolitik ungeachtet des erklärten Neustarts weiterhin ohne Konzept und Struktur ist.
Das Konrad-Chaos war vorhersehbar, denn der Umfang des anfallenden schwach und mittelradioaktiven Mülls wurde über Jahrzehnte falsch berechnet. Statt der früher prognostizierten 300.000 Kubikmeter kommt wohl die doppelte Menge zusammen. Erst das im August aufgelegte „Nationale Entsorgungsprogramm“ listet auch die Abfälle auf, die aus dem maroden Bergwerk Asse geborgen werden sollen – sowie den Uranmüll aus der Aufbereitungsanlage im westfälischen Gronau, der bislang als „Wertstoff“ erfasst war.
Die Genehmigung für Schacht Konrad basiert aber auf den alten Kalkulationen. Kämen alle Abfälle dorthin, wäre ein neues aufwändiges Genehmigungsverfahren fällig. Gegen den breiten Widerstand vor Ort, der von CDU-Bürgermeistern über das Landvolk bis zur IG Metall reicht, ließe sich eine Erweiterung des Endlagers ohnehin kaum durchsetzen.
Die von Hendricks erwogene Alternative, die zusätzlichen 300.000 Kubikmeter mit in das zu suchende Endlager für hochradioaktiven Müll zu packen, hat gleichfalls wenig Charme. Vor allem aufgrund von Sicherheitsbedenken gibt es weltweit keine ernsthaften Versuche, solch ein Mischlager umzusetzen.
Daher gilt nun: Alles muss auf den Prüfstand, die Entsorgungsdebatte noch einmal zurück auf Null. Dabei müssen auch Ideen geprüft werden, die derzeit noch tabu sind – der Bau eines dritten Endlagers zum Beispiel.
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