Kommentar Haushalt 2009: Sparen allein reicht nicht

Finanzminister Steinbrück propagiert Sparmaßnahmen in Zeiten des Aufschwungs und meint, Keynes voll verstanden zu haben. Vielleicht irrt er sich.

Peer Steinbrück, Finanzminister von Deutschland, kann eine historische Epoche vollenden. Sollte es das Schicksal gut mit ihm meinen, die Weltkonjunktur trotz neuem Ölpreisschock noch ein paar Jahre weiterlaufen und er mit der großen Koalition auch nach 2009 noch im Amte sein, dann wird er erstmals seit 1969 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorlegen. Gut 40 Jahre nach dem Beginn der galoppierenden Staatsverschuldung würde die deutsche Politik den Beweis antreten, dass sie die Lehren des Ökonomen John Maynard Keynes endlich begriffen hat. Der plädierte für zweierlei: Die öffentliche Hand soll Kredite aufnehmen, um Wirtschaftskrisen zu überwinden. Zweitens soll der Staat die Schulden aber auch zurückzahlen, wenn die Ökonomie wächst.

Den zweiten Teil der Botschaft des Nobelpreisträgers haben die Bundesregierungen seit Willy Brandt tunlichst ausgeblendet. Es gab immer einen Grund, sich zusätzliche Kredite in zunehmender Größenordnung zu genehmigen. Entweder war die Krise so schlimm, dass man sich durch höhere Gewalt zur Verschuldung gezwungen sah, oder die Wünsche der eigenen Klientel erschienen so unabweisbar, dass man sie unmöglich vernachlässigen konnte. Innerhalb von vier Jahrzehnten wuchs deshalb ein Schuldenberg, der mittlerweile rund 1.600 Milliarden Euro oder gut 60 Prozent der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung eines Jahres erreicht.

"Keynes voll verstanden", so beschrieb Finanzminister Steinbrück am Mittwoch seine Politik. Aber stimmt das? Im Moment des Erfolgs propagiert er eine neue Rigidität. Unter anderem von ihm stammt die Idee der sogenannten Schuldenbremse, die den Stabilitäts- und Wachstumsvertrag von Maastricht noch einmal verschärfen soll. Freiwillig würde sich Deutschland eine geringere Verschuldung auferlegen, als sie die europäischen Regeln erlauben. Gerade aus dieser neuen Konsequenz erwächst aber auch eine neue Gefahr: Dem Staat wären damit die Hände gebunden, wollte er die Wirtschaft in einer Krise unterstützen. Wer seinen finanzpolitischen Spielraum derart einengt, hat Keynes vielleicht doch nicht so ganz richtig verstanden.

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Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.

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