Kommentar Handygate und Staatsanwalt: Mehr als eine Juristenshow

Die Bundesstaatsanwaltschaft hat zur Handyaffäre einen Prüfvorgang eingeleitet. Das ist klug, angemessen und erhöht den Druck auf die Politik.

Ohren zuhalten hilft nicht: Merkel bei der Spionageabwehr Bild: reuters

Die Bundesanwaltschaft macht das ganz geschickt. Kaum wurden die Spionagevorwürfe gegen Angela Merkel laut, leitete sie einen Prüfvorgang ein. Das wirkt zupackend und rücksichtsvoll zugleich. Die obersten Ankläger in Karlsruhe zeigen so Präsenz, ohne bereits diplomatisches Porzellan zu zerschlagen.

Denn ein Prüfvorgang bedeutet erst einmal nur, dass Informationen gesammelt werden. Erst wenn ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, beginnt der juristische Ernst.

Diesmal scheint es wenig Zweifel zu geben: Wenn US-Geheimdienste systematisch das Handy der Kanzlerin abgehört haben, dann ist das strafbar. Von „geheimdienstlicher Agententätigkeit“ spricht das Strafrecht. In schweren Fällen drohen bis zu zehn Jahren Haft.

Ende Juni hat die Bundesanwaltschaft schon einmal einen Prüfvorgang angelegt. Das war kniffliger. Hat die NSA Internet-Knoten in Frankfurt angezapt? Wahrscheinlich war es nur ein Gerücht. Kann die systematische Auswertung deutscher Google-, Amazon- und Facebook-Kundendaten als Spionage verfolgt werden. Das scheint rechtlich schwierig.

Das Recht nicht verbiegen

Noch läuft jener Prüfvorgang, aber große Erwartungen existieren nicht. Der Bundesanwaltschaft dürfte es recht sein. Ermittlungsverfahren und Anklagen gegen US-Offizielle vermeidet sie, wo es nur geht. Und so dürfte auch bei Merkels Handygate die juristisch spannende Frage lauten, wie kommt die Bundesanwaltschaft diesmal um einen diplomatische Konfrontation herum, ohne das Recht allzusehr zu verbiegen.

Ansatzpunkte gibt es einige. Wenn Mitarbeiter der Berliner US-Botschaft an der Bespitzelung beteiligt waren, wie jetzt berichtet wird, dann genießen diese strafrechtliche Immunität und können allenfalls als „unerwünschte Person“ ausgewiesen werden.

Und falls herauskommt, dass Barack Obama selbst den Schnüffel-Befehl gegeben hat, dann genießt auch er als Staatsoberhaupt Schutz vor deutscher Strafverfolgung – auch dann, wenn er zum Staatsbesuch nach Deutschland kommt. Und für alle übrigen Fälle gibt es eine Klausel in der Strafprozessordnung (§ 153 d), die die Einstellung von Spionagevorwürfen erlaubt, wenn ein „schwerer Nachteil“ für die Bundesrepublik droht. Das dürfte bei Ermittlungen gegen US-Spione wohl immer passen.

Auch wenn am Ende nichts herauskommen wird, ist die Tätigkeit der Bundesanwaltschaft in solch hochpolitischen Fällen doch mehr als Show und Wahrung des Scheins. Sie trägt auch zur Delegitimierung der Täter bei und zwingt damit die Bundesregierung, wenigsten auf der politischen Ebene einigermaßen konsequent und entschlossen aufzutreten. Auch gegenüber den USA.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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