Kommentar Hamburgs Flüchtlingsunterbringung: Die Heuchler von der SPD
Eine Vertragsverlängerung muss für die SPD längst beschlossene Sache gewesen sein. Die vehemente Empörung über das Lager in Horst: gespielt. Ein Lippenbekenntnis.
A lso doch. Neue Verhandlungen. Um ein Lager, das derart umstritten ist, über dessen schlechte Zustände sich doch alle so einig waren. Zu isoliert sei es, hatte die SPD in der Opposition gesagt. Da dürfen keine Kinder mehr wohnen, stand im schwarz-grünen Koalitionsvertrag. Und jetzt soll plötzlich alles anders sein? Wer gutgläubig (oder böse gesagt: naiv) ist, könnte sich fragen: Hat die Stadt ernsthaft nach Alternativen gesucht? Gibt es keine andere Möglichkeit, als dieses Lager in der Pampa Mecklenburgs, ohne Beratung, ohne Dolmetscher, ohne adäquate medizinische Betreuung, ohne Schule?
Und da ahnt auch der Naive: Eine Vertragsverlängerung muss für die SPD längst beschlossene Sache gewesen sein. Die vehemente Empörung über das Lager: gespielt. Ein Lippenbekenntnis. Wer schon seit Wochen mit dem Nachbarland verhandelt, kann es mit der angekündigten Suche nach Alternativen in der Stadt nicht ernst meinen. Warum auch? Flüchtlinge stehen seit eh und je auf der niedrigsten Stufe der sozialen Treppe Deutschlands. Die wollen doch was von uns, scheint sich die Hamburger SPD zu denken. Asyl, Sicherheit, Menschenrechte, Arbeit. Geben können sie erstmal nicht viel. Also getrost wieder ins Lager stecken. Aus den Augen …
Eine humanitäre Flüchtlingspolitik hatte Senator Neumann angekündigt. Da denkt sich nur noch der Naivste: Vielleicht ist ihm sein Fremdwörterbuch abhandengekommen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind