Kommentar: Hamburgs Bewerbung zum Weltkultur-Erbe: Viel Geld nur fürs Prestige
Dass Hamburg ausgerechnet den Altonaer jüdischen Friedhof und die Sternwarte für das Unesco-Weltkulturerbe vorschlägt, ist erfreulich. Weniger erfreulich sind die Kosten einer solchen Bewerbung.
V ielleicht ist es ein gutes Zeichen. Ein Indiz dafür, dass Hamburg sich doch noch als Kulturstadt zu definieren beginnt, auch wenn Hamburg Tourismus weiterhin Musicals bewirbt. Denn die Idee, ausgerechnet den Altonaer jüdischen Friedhof und die Sternwarte für das Unesco-Weltkulturerbe vorzuschlagen, zeugt ausnahmsweise mal von einer tiefer reichenden Reflexion der Politik. Denn leicht konsumierbare Kost für Spaßtouristen sind beide Orte nicht.
Insbesondere der Friedhof zeugt vielmehr davon, SDassdass portugiesisch-sephardische Glaubensflüchtlinge als Geschäftsleute hanseatischen Wohlstand mehrten und Hamburg mit zu dem machten, was es heute ist. Hamburg bekennt sich also offiziell zu seiner Zuwanderungsgeschichte – und das ist löblich.
Weniger erfreulich sind die Kosten einer solchen Bewerbung, die für Gutachten und Kongresse anfallen. Ob sie – im vorliegenden Fall 700.000 Euro – in klammen Zeiten gerechtfertigt sind, sei dahingestellt. Denn der Titel „Weltkulturerbe“ bringt ja keinen Cent, sondern nur Prestige. Und einen Schutzraum bietet er, wie die Zerstörung islamischer Kultstätten in Mali belegt, keineswegs.
Insofern bleibt ein schaler Geschmack: Ja, Hamburg Tourismus könnte im Zweifel mit dem Titel „Weltkulturerbe“ werben. Verpflichtet würde man aber zu nichts. Und so etwas ist natürlich bei Politikern sehr beliebt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht