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Kommentar Gurlitt-ErbeScheinheilige deutsche Kulturpolitik

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Die von Nazis geraffte „entartete Kunst“ der Gurlitt-Sammlung wandert entschädigungslos nach Bern. Offenbar will man NS-Unrecht nicht aufarbeiten.

Kulturstaatsministerin Grütters geht den bequemsten Weg. Bild: ap

G eschichte wiederholt sich nicht – es sei denn als Farce. Die tiefere Bedeutung dieser Erkenntnis wird mit der Übernahme der Kunstsammlung von Cornelius Gurlitt durch das Kunstmuseum Bern deutlich wie selten. Schon einmal haben sich Schweizer Staatsbürger mit der von den Nazis verfemten Kunst schmücken dürfen. Das war in den 1930er-Jahren, und einige eidgenössische Händler konnten sich mit dem Verkauf des gestohlenen Eigentums gewaltig bereichern.

Nun profitiert ein Schweizer Museum von Kunstwerken, die ein deutscher Händler damals zusammengerafft hat. Das Unglaubliche daran: Alle Beteiligten einschließlich der deutschen Kulturstaatsministerin Monika Grütters klopfen sich auf die Schulter ob dieser weisen Entscheidung.

Schließlich, so ihre scheinheilige Erklärung, blieben Werke, die unter dem Verdacht der Raubkunst stehen, von der Weitergabe an Bern ausgeschlossen. Diese Bilder, die einst jüdischen Privatpersonen gestohlen wurden, sollen an deren Erben gehen. Eine Taskforce arbeitet deshalb an der Suche nach der Provenienz der Bilder. Deutschland wolle seiner Verantwortung auch moralisch gerecht werden, erklärte treuherzig Monika Grütters. Als ob es nicht eine Selbstverständlichkeit wäre, Diebesgut nicht weiterzuverticken.

Ist es aber nicht. Denn Hunderte anderer Werke abstrakter Kunst, die von den Nazis als angeblich „entartet“ aus deutschen Museen entfernt worden waren und später in Gurlitts Privatsammlung landeten, gehen nun umstandslos in die Schweiz. Eine Rückerstattung findet in diesem Fall nicht statt, weil das 1938 verabschiedete „Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“ bis heute wirkmächtig ist. Dass die Berner Kunstsammler dazu auch noch betonen, die früheren Besitzer dieser Werke würden bei Leihgaben gegebenenfalls bevorzugt berücksichtigt, kann nur noch als eine Frechheit bezeichnet werden.

Die deutsche Strafjustiz bemüht sich derzeit, Jahrzehnte zu spät, die letzten noch lebenden NS-Täter vor Gericht zu stellen. Die deutsche Kulturpolitik tut dagegen einiges, um NS-Unrecht gar nicht erst aufzuarbeiten. Beides geschieht streng nach Recht und Gesetz. Man kann dieses Vorgehen rechtfertigen. Aber die Beteiligten mögen dann bitte nicht länger von moralischer Verantwortung sprechen. Sondern davon, dass sie den bequemsten Weg gehen.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024

4 Kommentare

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  • en passant -

     

    Schade - still ruht der See

     

    Na gut - Recherche braucht was Zeit!

    aber - ich hoffe doch sehr -

    wir tumes Publikum -

    dürfen weiterhin zu recht

    gespannt sein -

    &es nicht so ausgeht

    wie beim - Bummerang

    des Herrn Bötticher;-))

  • Also Herr Hillenbrand, wollen Sie, dass die als "entartete Kunst" aus deutschen Museen entfernten Bilder an diese deutschen Museen zurückgegeben werden? Oder wie soll man Sie sonst verstehen, wenn man Ihren Text aufmerksam durchliest?

  • Sorry Herr Hillenbrand -

    mit Ihren Beiträgen tu ich mich

    hin&wieder etwas schwer -

    so auch hier.

    Ich versteh ihn schlicht nicht.

     

    Ein Teil der Bilder geht in die Schweiz -

    an ein Museum;

    Also doch wohl nicht an /einen Händler - odr?

    ("vertickt" - zahlt das Museum?

    wenn ja - an wen?)

     

    &Anderer Teil -

    "…Hunderte anderer Werke abstrakter Kunst, die von den Nazis als angeblich „entartet“ aus deutschen Museen entfernt worden waren und später in Gurlitts Privatsammlung landeten, gehen nun umstandslos in die Schweiz…"

     

    Wenn sie in der Nazizeit in deutschen Museen hingen,

    gehörten sie den Museen -

    oder handelte es sich um Leihgaben?

    (letzterenfalls würden die damaligen

    abweichenden Eigentümer ja feststehen - odr?)

     

    &"…weil das 1938 verabschiedete „Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“ bis heute wirkmächtig ist.…"

    Was soll das genau heißen?

    Welchen Rechtstitel soll dieses Nazi-Gesetz, insbesondere im

    bürgerlich-rechtlichen Sinne denn begründen?

    und für wen? - wer ist sodann der Rechteinhaber?

     

    Ferner - welche Vorgehensweise schwebt Ihnen vor?

    • @Lowandorder:

      Stimmt leider: Was der Autor davon hält wird ziemlich deutlich (ist bei der taz vielleicht auch das Wichtigste). Nur worum es geht, ist mir noch nicht ganz klar geworden.