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Kommentar Guantanamo-HäftlingeSpäte Geste aus Berlin

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Schon seit Jahren wird über einen deutschen Beitrag zur Auflösung des Lagers diskutiert. Kaum zu glauben, welch quälend langwierige Debatte über eine Handvoll Menschen geführt wird.

D ie Bundesregierung erwägt, endlich Guantánamo-Häftlinge nach Deutschland zu holen. Ist das schon eine gute Nachricht? Die Vorbereitungen dafür klingen schon einigermaßen konkret. Doch freuen darf man sich erst, wenn Deutschland tatsächlich die Aufnahme einiger vermutlich unschuldig inhaftierter Gefangener beschlossen hat.

So oder so kommt die Geste viel zu spät. Schon seit Jahren wird über einen deutschen Beitrag zur Auflösung des Lagers diskutiert. Kaum zu glauben, welch quälend langwierige Debatte über die Aufnahme von nur einer Handvoll Menschen hier geführt wird. Groß war Deutschland bisher nur beim Finden neuer Ausflüchte.

Zwar ist es legitim, sich vor einer Aufnahme von Gefangenen über mögliche Risiken Gedanken zu machen. Doch nicht jeder, der Kontakte zu Islamisten hatte und in Afghanistan festgenommen wurde, ist ein potenzieller Terrorist. Wer so denkt, bewegt sich letztlich nur in der unseligen Logik von Guantánamo.

taz

Christan Rath ist rechtspolitischer Korrespondent der taz. Er lebt und arbeitet in Freiburg/Breisgau.

Natürlich sind für die Aufnahme solcher Häftlinge vor allem die USA und die jeweiligen Heimatländer zuständig. Aber der US-Kongress ist noch mehrheitlich in der Autosuggestion gefangen, dass Guantánamo-Gefangene in den USA nichts zu suchen hätten. Und despotische Herkunftsländer wie Syrien und Tunesien sind für Ex-Guantánamo-Häftlinge höchstwahrscheinlich auch kein allzu sicherer Ort. Deshalb kann Barack Obama das Lager nicht ohne europäische Hilfe auflösen.

Wenigstens ist nicht mehr die Rede davon, dass diese Guantánamo-Insassen einen "Bezug zu Deutschland" haben müssen. Einen Schiffbrüchigen würde man schließlich auch nicht nach seinem Bezug zu Deutschland fragen - sondern ihn einfach retten.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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4 Kommentare

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  • E
    eleutheros

    @ Kleiner Spinner: Wahres Wort!

     

    Ich bin mir nicht sicher, was ich von dem scheinbar ach so großherzigen Angebot halten soll, die beiden Männer aufzunehmen. Ich bin froh, dass es in Bewegung kommt, aber die Bedenken, dass wir uns menschenrechtlich auf dieser Ablass-Geste ausruhen, sind trotzdem da.

  • KS
    kleiner Spinner

    "Einen Schiffbrüchigen würde man schließlich auch nicht nach seinem Bezug zu Deutschland fragen - sondern ihn einfach retten."

     

    frontex.

  • V
    vic

    Ich gehe jede Wette ein, dass Deutschlands C-Klasse keine ehemaligen Lagerhäftlinge aufnehmen wird.

    Und ich bin nicht mal sicher, ob ich aufgenommen wollen würde - angesichts all der denningers in diesem Land.

  • D
    denninger

    Sag mal, Christian, bist Du noch zu retten?

    "Deshalb kann (der neue Jesus) Barack Obama das Lager nicht ohne europäische Hilfe auflösen" schreibst Du und meinst das auch noch ernst!

    Weshalb sollen die Bündnispartner der USA die Drecksarbeit übernehmen und die eben nur "mutmaßlich unschuldigen" Häftlinge aufnehmen?

    Aus humanitären Gründen?

    Spätestens wenn der erste Regionalzug dann wirklich in die Luft gesprengt wird muss man sich mit den Risiken der ach so humanitären Gesten auseinandersetzen.

    Warum können denn die Häftlinge nicht in den USA aufgenommen werden? Etwa weil sie doch ein Risiko darstellen?

    Aber klar, das hat dann der dumme Deutsche zu tragen!

    Hoffentlich wird im Fall einer Anschlagserie als erstes in der Rudi-Dutschke-Straße gebombt.