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Kommentar Grüne und der AtomausstiegGrüne sagen Ja zu ihrer Idee

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Was in der schwarz-gelben Gesetzesnovelle steht, haben Grüne einst erfunden. Ihr Ja dazu drückt Selbstbewusstsein aus. Statt sich trotzig in der Frontalopposition zu verbuddeln.

D er Grünen-Parteitag hat eine souveräne Entscheidung getroffen, indem er der Grünen-Fraktion empfiehlt, dem Atomausstieg der schwarz-gelben Regierung zuzustimmen. Das ist keineswegs ein "Verrat" an der grünen Idee, wie Kritiker bemängelten, sondern besiegelt deren Triumph.

Denn das, was in der schwarz-gelben Gesetzesnovelle steht, haben Grüne einst erfunden und seit Jahrzehnten gefordert. Ihr Ja dazu drückt Selbstbewusstsein aus. Statt sich trotzig in der Frontalopposition zu verbuddeln, lässt sich die Partei ihr Kernthema nicht aus der Hand nehmen.

Hinter dem Beschluss der Grünen steckt die Einsicht, dass ein schnellerer Atomausstieg politisch nicht möglich ist - und dass eine Politik der kleinen Schritte besser ist als gar keine. Dies ist eine pragmatisch-nüchterne und letztlich sehr politische Haltung.

Dass die Grünen-Spitze dies so schnell erkannt und die Basis ihr zugestimmt hat, zeigt, dass sich die Partei im Geiste wieder darauf vorbereitet, in Berlin mitzuregieren. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass es 2013 zu einer Bundesregierung mit grüner Beteiligung kommt, denn die Partei ist neben CDU und SPD längst zum dritten wichtigen Player der Parteienszene aufgerückt.

Bild: anja weber

ULRICH SCHULTE leitet das Parlamentsbüro der taz.

Wie die Grünen ihren internen Streit beigelegt haben, ist indes beispielhaft. In einer engagierten Debatte wägten sie das Für und Wider ab bei diesem Herzensthema, das untrennbar mit dem Gründungsmythos der Partei verbunden ist. Der Parteitag war ein Stück aus dem demokratietheoretischen Lehrbuch, an dem sich andere Parteien ein Beispiel nehmen können.

Denn bei Union und Co. entscheidet ausnahmslos die Führung, ob und wie eine der mächtigsten Industrienationen der Welt aus der Atomenergie aussteigt. Und, noch wichtiger, wie sie sich auf erneuerbare Energien umstellt. Diese Frage aber hat eine breite gesellschaftliche Debatte verdient.

Der Atomausstieg ist beschlossene Sache, das Thema mutet bereits gestrig an. Mit ihrem Beschluss haben sich die Grünen auch nicht der Möglichkeit beraubt, für noch frühere Abschalttermine einzutreten. Sicherheitsbedenken könnten sich dabei als wirksamer Hebel erweisen.

Doch dieser Kampf ist nur noch nebensächlich. Mit der Forderung nach einem schnelleren Ausstieg allein lässt sich keine Wahl mehr gewinnen. Mit Ideen und Konzepten, wie der grüne Umbau der Gesellschaft gelingt, hingegen schon.

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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12 Kommentare

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  • W
    Waage

    Lieber Zombie 1969:

     

    leider hast du nicht mitbekommen, dass sich alle maßgeblichen Parteien darin einig sind, bis 2022 aus der Kernkraft auszusteigen. Die Linken wollen noch schneller.

    Soviel zum Gesellschaftlichen.

    .

    Auch wirtschaftlich und gerade wegen der abnehmenden Ölreserven ist es vernünftig, das die Energieversorgung in Zukunft überwiegend (weltweit) dezentral und aus erneuerbaren (bleibenden) Energiequellen erfolgt.

    .

    Ich bin mir sicher, dass das schaffbar ist wenn alle an einem Strang ziehen. Das kann zwar je nach Personenkreis und Möglichkeiten unterschiedlich kräftig sein - aber bitte immer in die gleiche Richtung ziehen!

  • W
    Westberliner

    Erst ein erneutes Fundamentieren von Hartz IV durch eine angebliche Erhöhung des Regelsatzes um Euro 5,00 für Erwachsene, jetzt Laufzeitverlängerung bis 2022.

    Das Nächste ist eine Vereinigung mit CDU, CSU, FDP und SPD zur Blockpartei??? Ziele sind ja dieselben: Lohn- und Sozialdumping, Sicherung der Konzerngewinne und Machterhalt.

     

    Bündnis 90/Die Grünen? - Nein, danke.

  • C
    crashtestdummy

    "Konsti" von Notz hat in vielem erschreckend wenig Ahnung. Aber was der Jürgen und die Renate sagen, dass muss einfach stimmen und wird von ihm inbrünstig nachgeplappert.

  • Z
    zombie1969

    Man ist sich bei den Grünen und der SPD hoffentlich darüber bewusst dass es ein Atomausstieg niemals geben wird. Das ist weder wirtschaftlich noch gesellschaftlich durchzusetzen. Und wenn erst das Öl zu neige geht wird sich die Situation zu Gunsten der Atomkraft sehr schnell wieder ändern.

  • H
    Hartmut

    Ohne zwingenden Grund einem 5 Jahre späteren Ausstieg zuzustimmen aus einer menschenverachetnden Technologie, das nenne ich nicht die Politik der kleinen Schritte, sondern vielmehr Anbiedrung an die Macht bzw. noch mehr Macht.

    Die Grünen sind schon lange Konsens und Kompromisspartei mit verwässertem Profil.

     

    Wenn sie all das, was sie nach Fukushima ins Land geschrieen haben medienwirksam, ersnt gemeint hätte, dann wäre dieser Beschluss nie zustande gekommen.

     

    Der Kommentar liest sich wie eine Werbebroschüre aus der Hauszeitung.

  • V
    vic

    Die Grünen sagen ja zu einer machtpolitisch motivierten Spontanentscheidung, und einem ungewissen Teil-Ausstieg.

    Kein Grund zu feiern.

  • R
    rolfmueller

    Wenn die Stimmen der Grünen erforderlich wären, den Atomausstieg im Bundestag zu verabschieden, könnte ich das merkwürdige Manöver ja noch verstehen.

    Aber warum springt eine Oppositionspartei auf den fahrenden Regierungszug auf, anstatt zu zeigen, was wirklich möglich wäre?

    Immerhin kann die CDU behaupten, sie habe durch Fukushima etwas gelernt und sich in die richtige Richtung bewegt. Die Entscheidung der Grünen ist dagegen ein Schritt in die falsche.

    Oder ist man in Deutschland nur regierungsfähig, wenn man mit der CDU stimmt?

  • DM
    Deine Mutter

    Hatten die Grünen nicht einen Ausstieg bis 2017 gefordert und ist nicht dann das Ja zu Merkels Fahrplan eine "Laufzeitverlängerung"?

     

    Fällt nur mir das auf oder jubeln die Grünen sich ihren Kram glänzender, als er ist?

     

    Naja, Konstantin von Notz glaubtja auch, eine Delegiertenkonferenz sei basisdemokratisch.

     

    http://deinelmutter.over-blog.de/

  • E
    EchoRomeo

    Ist irgendwie seltsam: Da wird jemand gelobt bzw getröstet, daß der sich fast verweigert hat als sein jahrenlange Traum und Wunsch endlich in Erfüllung gehen sollte.

    Ist das ein Anfall von Maso, Kontrollverlust oder war der Wunsch zwar immer als Herzenwunsch dargestellt, aber die Befriedigung wurde in Wirklichkeit aus dem "wünschen dürfen", "laut wünschen", "schmollen" oder der "Trauer um die Nichterfüllung" gesogen? Da würde ja bedeuten, daß der Herzenswunsch nur Mittel zum Zweck war und lediglich für Aufmerksamkeit sorgen sollte.

  • FK
    Frau Kirschgrün

    _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

     

     

    Seit wann kann mit Machbarkeitswahn alles begründet werden?

    _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

     

    Der letzte Funken Hoffnung auf den dringend benötigten und machbaren Ausstieg bis 2015 – allerspätestens 2017 – ist mit diesem "Parteitag" endgültig futsch. Der frühere Ausstieg hätte auch sozial viel bewirkt!

    "Herr" Trittin will ja selbst bei möglicher Regierungsbeteiligung keine Beschleunigung des Atom-Ausstiegs angehen.

    Geht's noch?!

    Grün ist für mich nicht mehr wählbar. Und an der Regierung brauch' ich die auch nicht mehr. Wozu?

    Da weder ein grünes "Nein" noch ein grünes "Ja" zum Merkel-Ausstieg an diesem auch nur ein Fitzelchen geändert hätte, bin ich besonders wütend auf dieses hirnlose, opportunistische Verhalten.

    Absolut ohne Not – die haben noch nicht mal etwas davon!

    Außer einer beispiellosen Demonstration totaler Rückgrat-Losigkeit.

     

    BAH!

     

    In meinen Augen haben sie genau dadurch ihre einzige ihr Dasein rechtfertigende Idee kampflos aufgegeben, verraten und verkauft – sich zum Trittbrettfahrer der CDU gemacht. Das muss man sich mal vorstellen! Die rennen ihrer eigenen Idee im Mantel der CDU hinterher!

    Machbarkeits-Dummheit, nenne ich so etwas.

     

    Tucholsky sagt:

    "Wer nach allen Seiten hin offen ist, kann nicht ganz dicht sein."

    Recht hat er.

     

     

    _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

  • A
    Annelies

    Wenn Sie mit dem "Versorgungsstaat" den aus guten Gründen verfaßten europäischen Sozialstaat Bundesrepublik Deutschland meinen und wie die Neoliberalen ablehnend bis verächtlich darauf schauen, teile ich Ihnen mit, daß ich den Aufbau des Sozialstaats in Deutschland wie Helmut Schmidt (SPD) als eine der größten kulturellen Leistungen der Deutschen bewerte. Punkt.

     

    Im übrigen würde ich mich freuen und sehr begrüßen, wenn sich jetzt die BündnisGrünen mit den Sozis im Bundesparlament dafür einsetzen, die Verbraucher mit einer einmaligen Sonderprämie (ähnlch der "Abwrackprämie") zu ermutigen, den Stromanbieter schnell und einfach zu wechseln, zwecks tatsächlicher Förderung der Erneuerbaren Energien und die damit eng verbundene Industriewelt einschließlich "erneuerbarer" Arbeitsplätze. Das könnte auch beispielgebend auf europäischer Ebene sein und vorangetrieben werden.

  • R
    rheinelbe

    Herzlichen Glückwunsch

     

    an die Grünen zur frischen Wendung in Richtung CDU. Da gehören sie längst hin!

    Hier wurde der schrankenlose Opportunismus zum politischen Prinzip erhoben. Hier ist man jederzeit als moderne Scharnierpartei nach allen Seiten total offen (Grünsprech!). Da winken die Posten und das Steuerzahlergeld für die grünen Wendehälse. Und darum geht es! Nix anderes ...

     

    "Die Parteien machen sich den Staat zur Beute" - das sagte der Philosoph und Mediziner Karl Jaspers bereits 1968. Folge ist die tiefgreifende Krise des Parteienstaats, der eben nicht mehr repräsentativ sein kann, der immer mehr zum Versorgungsstaat einer kleinen Politkaste wird. Die wurde mal von Milovan Djilas "Apparatschicks" genannt.