Kommentar Großbritannien: Reformbündnis auf der Probe
Die konservativ-liberale Regierung kann Großbritannien besser reformieren als eine Labour-geführte Koalition. Das heißt aber nicht, dass Camerons Kabinett alles richtig machen wird.
D avid Camerons konservativ-liberale Koalition ist für Großbritannien vermutlich die beste Lösung für das Chaos, das die britischen Wähler bei den Parlamentswahlen am 6. Mai angerichtet haben. Das Chaos war nicht geplant, entsprach aber der Stimmungslage der Bevölkerung, die gegenüber der politischen Klasse extrem misstrauisch geworden ist. Jede Alleinregierung einer Partei hätte dieses Problem verschärft.
Erst eine Koalition ermöglicht eine transparentere, auf breiteres Vertrauen angelegte Politik. Und nur eine konservativ-liberale Koalition hat eine ausreichende Mehrheit, um nicht jede Entscheidung unter den Vorbehalt schmutziger Deals mit einzelnen Abgeordneten stellen zu müssen. Deswegen kann diese Regierung Großbritannien besser reformieren, als es eine Labour-geführte Koalition gekonnt hätte.
Das heißt nicht, dass Camerons Kabinett jetzt alles richtig machen wird. Die Kompromisse zwischen Cameron und dem Liberalen-Chef Nick Clegg in der Frage der Staatsfinanzen - Cameron setzt Ausgabenkürzungen durch, Clegg Steuererleichterungen - führen das Land paradoxerweise in eine viel schärfere Sparpolitik hinein, als es jeder der beiden zuvor plante.
Und die Selbstverpflichtungen der Koalition zu mehr Bürgerrechten im Datenschutz, im Versammlungsrecht und in der Strafprozessordnung könnten gegenüber der inneren und äußeren Sicherheit durchaus den Kürzeren ziehen, je nach Entwicklung in Afghanistan und bei der US-geführten Terrorismusbekämpfung.
Dass sich die Koalitionäre in vielen Punkten einfach darauf verständigt haben, sich nicht zu einigen, ist ein politischer Gewinn. Denn damit bekommen die gewählten Abgeordneten mehr Freiräume und es werden mehr Entscheidungen im Parlament fallen, also in der öffentlichen Diskussion. Der Test dafür, ob Camerons Bündnis wirklich ein Reformbündnis für eine "neue Politik" wird, liegt darin, ob die Regierung diese Diskussion als Bereicherung sieht oder als Ärgernis.
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