Kommentar Großbritannien und die EU: Schwarze Löcher statt Europa
London hat einen EU-Vertrag verhindert - ein Schurke ist das Land nicht. Das Funktionieren seiner Finanzindustrie ist der Regierung wichtiger als der Ausbau der EU.
D as Vereinigte Königreich hat sich zum ersten Mal offiziell gegen die anderen EU-Länder gestellt. Zwar genehmigte sich die Regierung in London schon öfter Ausnahmen von europäischen Übereinkommen. Nun aber hat sie beim Gipfel gleich einen EU-Vertrag direkt verhindert: Die neuen Sparsamkeitsregeln für die EU-Staaten müssen nun mit einem komplizierten Vertragsgeflecht außerhalb und teilweise gegen existierende EU-Abkommen aufgestellt werden. Unabhängig von den Zweifeln an den Sparregeln selbst - das britische Vorgehen wird die EU verändern.
Das Veto zeigt einen zentralen Konflikt innerhalb der EU. Seit der Finanzkrise sehen die meisten EU-Staaten die Finanzpolitik mit anderen Augen. Wenn Banken mit Hunderten von Milliarden gestützt werden, dann wollen die Wähler zunehmend genauer wissen, wer eigentlich das Geld im Finanzsektor verdient und ob und wo Steuern bezahlt werden.
Die britische Regierung hat hier bisher wirksame Regeln verhindert. Mit für sie gutem Grund: Das Vereinigte Königreich beherbergt mit der City of London und einigen Steueroasen, verteilt über die Welt, einen guten Teil der schwarzen Löcher, mit denen Hedgefonds und Schattenbanken ihre Milliarden unkontrolliert vermehren. Was für Deutschland die Auto-, ist für Großbritannien die Finanzindustrie.
Die britische Regierung ist kein besonders böser Schurke. Angela Merkel würde ebenso harsch die deutschen Autobauer schützen. Es geht um einen Interessenkonflikt: Die Gewinne der City of London senken die Staatseinnahmen auf dem Festland. Wenn immer mehr Euroländer am Abgrund stehen, lässt sich dieser Konflikt nicht länger vertagen. Großbritannien hat schon mal deutlich gemacht: Das eigenständige Funktionieren seiner Finanzindustrie ist ihm wichtiger als der Ausbau der EU.
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