Kommentar Griechischer Staatssender: Öffentlich-rechtlich muss sein
Wer, wenn nicht das öffentlich-rechtliche Fernsehen soll endlich ernsthaft über Politik und Wirtschaft in Griechenland sprechen?
D a kommen persönliche Erinnerungen auf: Der Verfasser hatte sich früher einmal selbst um eine Mitarbeit beim griechischen Staatssender ERT bemüht – leider umsonst, wie es sich rasch herausstellte. Freunde rieten mir damals, dem aus Deutschland quasi Zugewanderten und Nichtsahnenden, ich solle bei gewissen Leuten vorsprechen, am besten gleich beim Presseminister. Weiß nicht, ob das immer so läuft bei ERT, jedenfalls kannte ich den Presseminister nicht, also musste ich draußen bleiben.
Aber auch als Zuschauer erlebte ich so manche Enttäuschung. Etwa 2006, als die TV-Gebühren um 30 Prozent erhöht wurden, damit die neuen Digitalsender finanziert würden. Wenige Jahre später wurde das Digitalangebot sparbedingt gestrichen, aber die erhöhten Gebühren gibt es immer noch. Da bestünde durchaus die Versuchung, den Leuten nach dem Mund zu reden, die, über Staatsjournalisten lästernd, erklären: „Die sollen sehen, wo sie bleiben, diese Parteibonzen.“
Tue ich aber nicht. Denn ich weiß heute, nach vielen persönlichen Begegnungen mit ERT-KollegInnen, dass im Haus auch leidenschaftliche Journalisten arbeiten, die für ihren Freiraum kämpfen im kafkaesken Apparat des Staatssenders. Auch sie verdienen ein besseres ERT-Fernsehen.
ist Autor der taz.
Und außerdem: In der immer flacher werdenden Medienlandschaft Griechenlands wäre ein ordentlich geführtes öffentlich-rechtliches Fernsehen der richtige Ort, um endlich ernsthaft über Politik und Wirtschaft in diesem Land zu sprechen. Die Frage, was etwa die griechischen Grünen über die Krise zu erzählen haben, interessiert mich doch viel mehr (na gut, sagen wir: mindestens genauso sehr) als die Frage nach den Körpermaßen griechischer Schönheitsköniginnen, die in den Privatsendern ausführlich genug erläutert wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour