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Kommentar Griechenlands Sparkurs Wenn Sparen nur noch schadet

Kommentar von Nicola Liebert

Der brachiale Sparkurs in Griechenland verstärkt die Wirtschafts- und Schuldenkrise. Wie soll das Land seine Schulden abbauen, wenn die Wirtschaft am Boden liegt?

D as Gefühl, dass Griechenland kaputtgespart wird, trügt nicht. Die Wirtschaft ist 2011 noch viel dramatischer eingebrochen, als ohnehin schon erwartet wurde. Um fast sieben Prozent schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP), was nicht wirklich verwunderlich ist. Der Staat darf kein Geld mehr ausgeben, die BürgerInnen können es nicht mehr, und Unternehmen bekommen keine Kredite, um zu investieren. Woher sollte ein Wachstum also kommen?

Und nächste Frage: Wenn es kein Wachstum gibt, woher soll dann das Geld kommen, um die Schulden abzuzahlen? Darauf hat die Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds keine Antwort. Stattdessen lautet das Kommando: Noch mehr sparen!

Nur dann soll Griechenland neue Kredite bekommen, schönfärberisch als Rettungspaket bezeichnet. Als ob es unter diesen Bedingungen noch viel zu retten gäbe. Die zusätzlichen Kredite vergrößern stattdessen den Schuldenberg nur noch weiter.

NICOLA LIEBERT ist freie Journalistin und Wirtschaftsexpertin.

Ach ja, die Schulden, die sind an allem schuld. Die Griechen haben halt über ihre Verhältnisse gelebt und müssen jetzt die Konsequenzen ziehen. Aber stimmt das überhaupt? Und kann die Krise nur durch einen brachialen Sparkurs gelöst werden?

In Griechenland jedenfalls sieht es erst mal so aus, als ob Sparen die Krise nur noch verschlimmert, und zwar sowohl die Wirtschafts- als auch die Schuldenkrise.

Ganz anders die Situation in einem Land, das noch viel höher verschuldet ist: In Japan betragen die Staatsschulden 206 Prozent des BIP verglichen mit 160 Prozent in Griechenland.

Auch Japan meldete gerade einen Rückgang der Wirtschaftsleistung im Jahr 2011, in dem das Land immerhin von einem Tsunami und einer Atomkatastrophe heimgesucht wurde - wenn auch nur um 2,3 Prozent. Dort aber spricht niemand von Finanz- oder Währungskrise, und Experten sind zuversichtlich, dass die Wirtschaft in diesem Jahr wieder wächst.

Der entscheidende Unterschied: Japan wird von keiner Troika gezwungen, sich zu Tode zu sparen. Im Gegenteil, die Regierung gibt Milliardenbeträge für den Wiederaufbau nach der doppelten Katastrophe aus und kurbelt so die Wirtschaft an. Über Japan muss man sich wirklich wenig Sorgen machen - umso mehr aber über Griechenland.

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22 Kommentare

 / 
  • TM
    Tom Mayer

    Griechenland mit Japan zu vergleichen ist geradezu absurd. Japan verfügt über eine solide industrielle Basis und ist technologisch eines der fortschrittlichsten Länder der Welt. Das ist der Hauptgrund, warum die Anleger trotz der hohen Schuldenlast keine Zweifel an der Zahlungsfähigkeit Japans haben. Griechenland lebte hingegen jahrelang vom Nichtstun und erntet nun die Früchte. Hinzu kommt, dass Japan vor allem bei der eigenen Bevölkerung verschuldet ist und die eigene Währung kontrollieren kann. Bei Griechenland ist letzteres wegen des waghalsigen Euro-Projektes nicht mehr der Fall. Der Euro ist - konstruktionsbedingt - zum Scheitern verurteilt.

  • P
    PresseWolf

    Griechenland hat viele Probleme. Vor allem ein auf Vetternwirtschaft aufgebautes recht korruptes Gemeinwesen, regiert vn wenigen Familien, deren Mitgkieder sich gegenseitig Posten zuschieben. Viele Griechen haben schon vor Jahren ihre Heimat aufgegeben und im Ausland Fuß gefasst. Einige davon sind recht wohlhabend und haben ihr Geld in der Schweiz in Sicherheit gebracht. Erstaunlich, warum niemand auf die Idee kommt, systematisch diese Milliarden zu beanspruchen, denn teiweise liegt hier Steuerhinterziehung vor. Vermutlich möchte hier diverse Geschäftsbeziehungen nicht stören. MIt einer geziehlten Fandunf nach hinterzogenen Steuergeldern, Druck auf Offshore und Schweizer Banke und einem Investitions-Patenschaftsprogramm mit europäischen Firmen liesse sich sicherlich mehr erreichen, als mit dem kaputtsparen der Wirtschaft. Ein Patenschafts/Parterschaftsprogramm auf Firmeneben kann auch langfristig am ehesten die Mentaltät beeinflussen. Das ist nämlich der wichtigste Unterschied zu Japan.

  • H
    Heino

    Dass Sparen in konjunkturellem Niedergang falsch ist, sagt zumindest jeder Keynesianer. Aber wenn die taz in nahezu sämtlichen Griechenlandartikeln das Sparen verdammt, soll sie mir bitte mal sagen, wo in Griechenland sinnvoll, und vor allem von wem produktiv investiert werden würde? Im Parlament und in den hohen Staatspositionen (die nicht gekündigt werden) sitzen die Günstlinge von 30 Jahren Vetternwirtschaft, deren Freunde sind die Reichen Griechenlands. Alles Geld, was die jetzt bekommen können, schicken sie sofort ins Ausland, weil das der größte Reibach ist, wenn Griechenland zum Drachmen zurückkehrt. Bringt das einen Arbeitslosen in Athen von der Strasse?

    Neoliberalismusbashing ist prima, aber was könnte Griechenland wirklich helfen? Ich weiß es nicht, und es wäre gut, wenn die Jurnalisten auch mehr zugeben könnten, dass sie es nicht wissen.

     

    Der Japanvergleich hinkt gewaltig, das haben hier schon einige kommentiert. Dort wurde seit Jahrzehnten eine intelligente Strukturförderpolitik gemacht, von der griechische Politiker meilenweit entfernt waren und sind.

  • D
    deutscherExportWAHN

    Selbst Japan war lange in einer Deflationsspirale. Dabei waren Japans Krisenauslöser leichter "verzeihliche Sünden".

  • H
    Hauke

    Der Vergleich mit Japan sollte etwas näher beleuchtet werden: Die japanischen Staatsschulden werden überwiegend von Japanern gehalten, das macht sie unabhängiger von dem Goodwill oder Profitstreben anderer Kapitalgeber.

    Da aber in Griechenland das Vertrauen in den eigenen Staat offensichtlich, und vielleicht auch gut begründet, weniger groß ist, legen die Griechen die Geld haben, dies lieber woanders an. Wenn es die grichische Politik nicht schafft das Vertrauuen der eigenen Bevölkerung (wieder?)zu erlangen (und nicht nur über schuldenfinanzierte Wohlfahrtsprogrammen, dazu zähle ich auch insuffiziente Steuereintreibung, zu erkaufen) sind alle weiteren Massnahmen zum Scheitern verurteilt.

  • V
    Volkswirtschaftler

    Das Wachstum kann erst langfristig entstehen nach sehr schmerzhaftem Sanieren und Gesundschrumpfen. Sogar ein Wirtschaftswunder entwickelte sich nach der Pleite in Argentinien. Vorerst verschreckt das durch langjährigen Regierungsbetrug, allg. Steuerhinterziehung/Egoismus, etc. vernichtete Vertrauen viele Investoren.

  • G2
    gucci 23

    Der entscheidende Unterschied: Japan hat eine produzierende Wirtschaft.

  • B
    Bochumer

    Der Vergleich mit Grichenland und Japan hinkt nun doch "ein wenig". In Japan sind einige der wichtigsten Konzerne zu Hause: Toshiba, Canon, Toyota. Aus Griechland wird allenfalls mal ein Becher Jogurt exportiert. Wer es nicht glaubt, der soll sich einfach mal in seiner Wohnung umschauen und die Exportgüter aus Japan und Griechenland nebeneinander stellen.

     

    Einfach mehr Geld ausgegeben ist sicher keine Lösung. Wichtiger ist es, zusätzlich die griechischen Großvermögen in die Pflicht zu nehmen. Da fiele mir zum Beispiel die orthodoxe Kirche ein, die ja auch zu den großen Steuersündern gehören soll. Ich fände es ja ganz gut, wenn die taz in dieser Richtung Fakten recherchieren würde.

  • A
    antiantiantianti

    Sehr geehrte Frau Liebert,

     

    wenn durch falsche Subventionen, Korruption und Mißbrauch von Fördermitteln eine Wirtschaft wächst die keine Grundlage hat, ist es dann nicht logisch dass diese dann schrumpfen muß? Hätten sie den selben Text auch geschrieben wenn es dabei um die deutsche Wirtschaft gegangen wäre?

  • W
    wolf26

    Eine sehr gute Einschätzung.Diese Troika ist

    ein Krebsgeschwür der Finanzhaie.Weltweit

    kann man sehen,ob in Africa oder sonst wo,

    überall wo der IWF seine Finger im Spiel hat,sind die Länder verarmt.

    Die Bilderberger lassen grüßen.

  • KS
    Karl Sonnenschein

    Der kontinuierliche Aderlass wird von den hochbezahlten "Spitzenpolitikern" und seinen hochbezahlten "Experten" deshalb verschrieben weil sich diese Behandlungsmethode schon im Mittelalter bewaehrte wenn man von der eigentlichen Krankheit nicht die geringste Ahnung hatte.

  • H
    Hans

    Griechenland hat wenige konkurrenzfähige Produkte und ist seit jeher allenfalls im Tourismus und in der Schifffahrt nennenswert gut. Alle anderen Branchen und Industrien erreichen nicht das Niveau West- und Mitteleuropas, sind aber teurer als Produkte aus der Türkei oder Nord-Afrika. Und in der Zukunft wird Griechenland auch nicht tolle Produkte entwickeln und herstellen, weil es eben jetzt gar keine Nachfrage mehr gibt und gute hoch-qualifizierte Arbeitskräfte längst weg sind.

     

    Da Griechenland bald wählt, darf man davon ausgehen, dass für ein paar Monate wieder die Sonne über der Plaka scheint. Aber der Wähler könnte für Entgleisungen sorgen, denn glaubwürdig sind diese Politiker schon lange nicht mehr, die meisten träumen wohl eher von einem Mandat ohne Regierungsbeteiligung, nicht von einem Ministeramt.

     

    Obs nun die Drachme wird oder der Euro bleibt, dieses Land braucht eine eigenständige, unabhängige Entwicklungsstrategie, die aber bei den chancenreichen Parteien kaum vorhanden ist.

  • C
    Crisssie

    Der Wahnsinn hat Methode und zielt auf die Verwirklichung der "marktkonformen Demokratie" ab. Nicht aus Notwendigkeit soll der Staat machtloser und ärmer werden, sondern aus Prinzip. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=12218)

  • F
    Felix

    Die Sache liegt doch auf der Hand. Die armen Socken und Habenichtse sollen endlich von selbst auf den Trichter kommen, den die Neoliberalen haben wollen: Sie sollen einsehen, dass sie im neoliberalen Sinn schlichtweg überflüssig sind, "menschlicher Müll" wie es ein Manager einmal formuliert hat. Die sollen einsehen, dass sie überflüssig sind und sich endlich nach dem Vorbild von Sokrates aus dem Staub machen sollen. Das gilt nicht nur für Griechen, sondern für alle armen Socken, die nicht schon von ihren Erblassern mit einem Vermögen und einem Studium an Harvard oder Stanford ausgestattet werden.

  • J
    JoBiro

    Erst wenn Griechenland seine Angelegenheiten selbst in die Hand nimmt, d. h., aus der entmündigenden Eurozone aussteigt, kann es wieder seinen ihm zustehenden wichtigen Platz in der Völkergemeinschaft einnehmen. Je früher desto besser.

    JoBiro

  • SB
    Siegfried Bosch

    Über Japan musste man sich bisher keine Sorgen machen, weil sie solide Außenhandelsbilanz- und Leistungsbilanzüberschusse haben (2011 nur das letztere, aber auch das zeigt eigentlich nur, wie stark Japan noch immer ist). Griechenland hingegen hatte nichts davon; ohne die Gießkannenförderung durch die EU (oft war da auch Subventionsbetrug im Spiel) und den Euro-Beitritt (der aus dem nichts zur Kreditwürdigkeit geführt hat) wäre Griechenland niemals so sehr "gewachsen" (ein Wachstum, das vergleichbar damit ist, dass sich alle gegenseitig die Haare schneiden), wie es eben "gewachsen" ist. Wenn das nun in sich zusammenfällt, sollte man dann wirklich vom Schrumpfen der Wirtschaft und nicht eher von einer Neuadjustierung des gesamten griechischen Preisniveaus sprechen.

  • H
    Heinz

    "Der entscheidende Unterschied:"

     

    Der entscheidende Unterschied ist das Japan seine eigene Währung hat und seine Probleme durch milden Gelddruckmaschieneneinsatz abschwächen kann.

     

    Natürlich ist der Politik der Troika trotzdem schlecht.

  • D
    Daniel

    Bitte mehr davon, liebe Taz. Wir kommen der Sache näher :)

    Interessant ist auch die Staatsquote Griechenlands. Es würden ja achsoviele Beamte auf der faulen Haut liegen (was soll man in Griechenland auch sonst tun?), da kann man mal schnell 150.000 entlassen.

    Für mich stellt sich eh die Frage, ob so ein krasser Standortwettbewerb innerhalb der EU überhaupt sinnvoll ist. Also das gegenseitige Unterbieten mit Dumpinglöhnen. Aber vermutlich gehts gar nicht um sinnvoll, sondern um praktisch...

     

    Und falls ihr noch Zeit habt: ich habe mal gehört, dass (zumindest für die ersten Kredite) unter der Hand gefordert wurde, dass Griechenland davon z.T. deutsche U-Boote und französische Fregatten kaufen _muss_.

  • VL
    vergessene Liebe

    Etwas Humor/ Ästhetisierung ?

    "Das historische Schiff, namens "EUROPA" mit seinem griechischen Steuermann (sokratisch geschult)und der gemixten Besatzung aus Ruderen aus aller Welt, ist, durch "habgieriges" Gegenrudern einiger Besatzungsmitglieder... aus dem Kurs geraten und in eine Flaute geraten. Meuterer an Bord(die Gegenruderer) wollen einen anderen Kurs, zu einem FANTASIE- Land, das jedoch nicht existiert... Es wird wild gerudert in der Windstille... Der unbeugsame griechische Steuermann wird in einem kleinen Beiboot ausgesetzt und findet überleben mit Glück auf der Insel ITHAKA...

    Das Schiff "EUROPA" jedoch.. endete an den Klippen der "WALLSTREET" und die paar Überlebenden endeten als Sklaven ihrer eigenen Ideologie".... Tz Tz...

  • G
    Gallier

    Ich verstehe den Zusammenhang Griechenland - Japan nicht.

    Griechenland hat jahrelang auf Pump gelebt, Japan dagegen hat wenig Aussenhandelsschulden und bleibt, im Gegensatz zu Griechenland, eine Exportnation.

     

    Empfehle der Autorin, tiefschürfender zu recherchieren, bevor sie etwas publiziert.

  • G
    Gallier

    Was der Artikel nicht sagt:

    Die Schulden Japans sind größtenteils keine Außenhandelsschulden, im Gegensatz zu Griechenland, das auf Pump konsumiert hat. Das sind zwei paar Schuhe. Ausserdem ist Japan nach wie vor eine Exportnation, im Gegensatz zu Griechenland.

     

    Die Autorin sollte schon etwas gründlicher recherchieren.

  • M
    Micha

    Mir fallen noch ein paar weitere Unterschiede zwischen Japan und Griechenland ein:

     

    - die Japaner trauen ihrem Staat und leihen ihm Geld, während Griechenland sich das Geld zum großen Teil im Ausland leihen musste.

     

    - die japanische Wirtschaft in der Lage innovative Produkte auf den Markt zu bringen

     

    - die Arbeitszeit in Japan ist höher, die Lebensarbeitszeit auch

     

    - der japanische Staat ist berechenbar und Leistungsfähig

     

    - im Korruptionsranking von Transparency International ist Japen 2010 auf Rand 17 (Deutschland 15), Griechenland nur auf Rang 78

     

    - die Zahl der durch Streik verlorenen Arbeitstage in Japan geht gegen Null, in Griechenland sieht es wohl anders aus.