Kommentar Gewalt im Südsudan: Machtlos gegen Massenmord
Die Weltgemeinschaft ist sich einig: Das Morden soll gestoppt werden. Doch genau wie vor 20 Jahren in Ruanda folgen der Einsicht keine konkrete Taten.
H ilflos sieht die Weltgemeinschaft zu, wie ihr jüngstes Mitglied Südsudan in einen blutigen Bürgerkrieg abgleitet, bei dem beide Seiten einander mittlerweile mit Mitteln des Völkermords bekämpfen: die kollektive Tötung von Angehörigen der jeweils als Feind angesehenen Ethnie ohne Ansehen der Person.
Schutz gibt es für die Bedrängten nur in UN-Militärbasen, die aber nur ungenügend Schutz bieten können. Von offensivem Eingreifen gegen Killer auf den Straßen ganz zu schweigen.
Es hat eine gute Woche gedauert, bevor der UN-Sicherheitsrat eine Aufstockung der Blauhelmtruppe im Südsudan beschließen konnte. Es wird Wochen dauern, bevor diese Aufstockung auch ankommt. Und ob sie tatsächlich etwas bewirkt, darf angesichts früherer Erfahrungen mit UN-Missionen bezweifelt werden.
Die ersten Vermittlungsbemühungen im Südsudan-Konflikt sind gescheitert. Kenias Präsident Uhuru Kenyatta und der äthiopische Regierungschef Hailemariam Desalegn sprachen zwar am Donnerstagabend nach einem Treffen mit ihrem südsudanesischen Kollegen Salva Kiir von „einem konstruktiven Dialog.“ Doch an den Gesprächen nahm Kiirs Widersacher, Ex-Vizepräsident Riek Machar, nicht teil. Am Freitag sollen die Gespräche fortgesetzt werden. (ap)
Aller Diskussionen um „Schutzverantwortung“ und den Lehren aus dem Völkermord in Ruanda 1994 zum Trotz ist die Welt heute gegenüber organisiertem Massenmord offenbar nicht besser aufgestellt als damals. Diese Erkenntnis mag nach den jüngsten Erfahrungen mit Syrien wenig überraschen.
Aber anders als im Fall Syrien gibt es im Falle Südsudan keinen Zwist unter den Weltmächten, der ein Eingreifen verhindern würde. Und anders als in Ruanda vor zwanzig Jahren gibt es heute viel schnellere und umfassende Kommunikations- und Informationskanäle.
Noch ist es nicht zu spät, um zu verhindern, dass auf Ruanda 1994 ein ebenso grauenhaftes Südsudan 2014 folgt. Aber wenn es nicht zu spät werden soll, muss ein deutliches Signal ergehen.
Wer Soldaten nach Juba schicken kann, um die eigenen Landsleute zu evakuieren, kann auch Südsudanesen retten. Wer durch jahrelange zähe Diplomatie überhaupt erst die Entstehung des freien Südsudan möglich machte, müsste jetzt auch politische Schritte für das Überleben dieses Landes unternehmen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe