Kommentar Gesundheitsreform: Seine vertane Chance
Rösler hat nicht nur die Widerstände bei CSU und Lobbygruppen unterschätzt, sondern auch die möglichen Vorzüge seiner Reformpläne nicht genügend verteidigt.
E s fällt immer schwerer, neue Erklärungen für die Taten Philipp Röslers zu finden. Ungezählte Analysen zeichneten den jungen FDP-Politiker in den vergangenen Monaten als Sabotageopfer eines irrlichternden CSU-Chefs Horst Seehofer. Viele Kommentatoren unterstellten dem 37-Jährigen zudem ein Maß an Gutgläubigkeit, das niemand in der Politik gebrauchen könne, erst recht kein Gesundheitsminister. Doch um Röslers jüngste Niederlage im Streit um eine Reform der gesetzlichen Krankenversicherung zu verstehen, greifen diese Erklärungsversuche zu kurz.
Denn der Minister hat nicht nur die Widerstände bei CSU und Lobbygruppen unterschätzt, sondern auch die möglichen Vorzüge seiner Reformpläne nicht genügend verteidigt. Wo bleibt der Sozialausgleich aus Steuergeldern, damit bedürftige Versicherte auf den steigenden Zusatzbeiträgen der Kassen nicht sitzen bleiben? Nicht allein die Haushaltskrise ist verantwortlich dafür, dass nicht mehr Steuergeld ins Gesundheitssystem fließt. Sondern auch eine wirtschaftsliberale FDP, der das Vorhaben ihres Ministers nie geheuer war. Doch wer seine Pläne nicht einmal den eigenen Leuten erklären kann, wer will eine kritische Öffentlichkeit überzeugen?
Von Röslers Plan, Gesundheits- und Lohnkosten zu entkoppeln, bleibt fast nichts. Stattdessen gibt es, wie so oft, wenn sich Regierungen grundlegenden Umbauten verweigern, steigende Belastungen der Bürger. Der Beitragssatz der Kassen wird angehoben. Auch die Möglichkeit, höhere Zusatzbeiträge zu erheben, löst das Finanzproblem der Kassen nicht. Für eine echte Reform jedoch hätte Rösler werben müssen, um so Druck auf Seehofer, die FDP und Lobbygruppen auszuüben. In dieser Legislatur hatte er dafür eine einzige Chance. Er hat sie vertan.
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