Kommentar Gerichte als Umweltschützer: Der Rechtsweg wird missbraucht
Wiederholt ist die Deutsche Umwelthilfe beschimpft worden, weil sie Umweltstandards vor Gericht einklagt. Der wahre Sünder ist aber die Politik.
D ie Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen die Verschmutzung des Grundwassers ist für die Bundesregierung gleich mehrfach peinlich. Gerade der angebliche grüne EU-Musterknabe Deutschland steht wieder mal wegen Öko-Schlamperei vor Gericht. Und der Prozess zeigt: Umweltpolitik findet hier oft nicht mehr statt. Sie ist aus den Behörden und Ministerien in die Gerichtssäle umgezogen.
Die DUH verlangt eigentlich nur etwas Banales: dass geltendes Gesetz auch umgesetzt wird. Diese Normen haben Parlamente beschlossen, oft wurden sie samt Fristen und Grenzwerten durch Lobbys schon verwässert. Dann treten sie in Kraft und werden von den Regierungen verschleppt, falsch umgesetzt oder schlicht ignoriert.
Nicht weniger als 16 Verfahren führt die EU derzeit gegen Deutschland in Umweltfragen: Da geht es um Luftreinhaltung, Schutz des Grundwassers, Ausweisung von Naturschutzgebieten oder Belastungen durch Lärm und Chemie.
Für ihre Strategie der Klagen werden Verbände wie die DUH massiv beschimpft und unter Druck gesetzt. Politiker und Industrie kritisieren gern, die Umweltschützer missbrauchten den Rechtsweg, um ihre Forderungen durchzusetzen. Die Ökos haben schließlich großen Erfolg: Beim Stickoxid und Diesel-Fahrverboten gibt es für die Politik eine juristische Ohrfeige nach der anderen, so ähnlich könnte es bei anderen Themen kommen.
Die EU hilft sehr: Ihre übergeordnete Sichtweise auf Gesundheit und Zukunftsfragen hat zum Glück Vorrang vor den kurzfristigen Erwägungen von Staaten, die Autos herstellen oder Kohle abbauen.
Wenn hier allerdings jemand den Rechtsweg missbraucht, ist es die Politik. Sie gibt ihren Anspruch an Gestaltung auf, wenn sie sich von Klägern scheibchenweise zum Handeln drängen lässt. Richter sollen Streitfragen klären, nicht Behörden und Regierungen auf etwas eigentlich Selbstverständliches verpflichten müssen: Sich an Recht und Gesetz zu halten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten