Kommentar Genua-Prozess: Berlusconi muss nicht büßen
Das Gericht in Rom setzt ein Zeichen für die Opfer der Polizeigewalt beim G-8-Gipfel in Genua 2001. Doch die Hauptschuldigen werden wohl nie juristisch belangt.
D ie Kleinen hängt man – und die Großen lässt man laufen: Dies war im besten Falle die Erwartung der G-8-Gegner, die vor elf Jahren in Genua von der Polizei zusammengeknüppelt wurden. Niemand rechnete damit, dass auch nur ein einziger der Verantwortlichen je zur Rechenschaft gezogen würde.
Der Kassationshof in Rom hat jetzt die Skeptiker eines Besseren belehrt. Laufen lässt er jene kleinen Beamten, die den Schlagstock schwangen; ihre Taten sind verjährt. Büßen müssen dagegen die Kommandeure. Auch wenn keiner von ihnen in Haft kommt, ist doch ihre Karriere abrupt beendet.
Dies ist ein ebenso unerwartetes wie wichtiges Signal, das den Gang der Ereignisse seit jenen heißen und blutigen Julitagen 2001 in Genua radikal umkehrt. Statt Strafe nämlich, so schien es, gab es für die gesetzesbrecherischen Beamten nur Gratifikationen, Auszeichnungen und Beförderungen.
ist Italien-Korrespondent der taz.
Da präsentierte sich ein Staat, der nichts dabei zu finden schien, dass die Spitze der Polizei in flagranti dabei erwischt worden war, Beweismittel zu fälschen, um die schwere Körperverletzung friedlicher und oft sogar schlafender Demonstranten zu rechtfertigen.
Da präsentierte sich ein Staat, der sich jeder Aufklärung verweigerte: Sowohl in den Berlusconi-Jahren als auch unter der Mitte-links-Regierung von 2006 bis 2008 scheiterten alle Versuche, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen.
Wenigstens einen Teil dieser Lücke füllt jetzt die Justiz mit ihrem mutigen Urteil. Die größte Lücke aber bleibt weiterhin: Hinter der Polizei standen die politisch Verantwortlichen – stand Italiens Regierung. Es waren ihre Einsatzbefehle, die die Gewaltorgie von Genua möglich gemacht haben. Doch weder Silvio Berlusconi noch seine Minister werden dafür je büßen müssen.
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