Kommentar Gendiagnostikgesetz: Gen-Banken durch die Hintertür
Das Gendiagnostikgesetz schüzt die Bürger nicht genügend vor Ausforschung ihres Gencodes.
K ünftig sollen die Menschen hierzulande besser kontrollieren können, wer wann etwas über ihre Geninformationen erfährt. Die Grundlinie des Gesetzes, das am Freitag im Bundestag verabschiedet wird, klingt einleuchtend und klar. Aber wer genauer hinschaut, sieht schnell: Das Gesetz schützt die Bürger nicht genügend vor Ausforschung ihres Gencodes. Vor allem eine Ausnahmeregelung ist gefährlich.
Alles klingt zunächst recht harmlos. Einerseits dürfen Versicherungen Gen-Informationen ihrer Kunden weder annehmen noch anfordern. Allerdings: Beträgt die Auszahlungssumme einer Lebensversicherung mehr als 300.000 Euro, darf das Unternehmen vom Versicherten gesammelte Erbgutinformationen verlangen und annehmen. Diese Passage hat die Unions-Fraktion in den Gesetzentwurf geschrieben. Sie ist damit vor der mächtigen Versicherungswirtschaft eingeknickt. Der Schaden könnte gewaltig werden.
Denn dieser Passus ist bewusst vage formuliert. Wer heute eine Lebensversicherung abschließt, kann nicht wissen, wie viel er oder sie in vielen Jahren ausgezahlt bekommt. Die Auszahlungssumme hängt auch von der wirtschaftlichen Entwicklung ab, und die ist bekanntlich unvorhersehbar.
Doch das ist nicht alles. Die 300.000-Euro-Regelung kann als Einfallstor dienen. Absenkungen der Euro-Summe werden künftigen Koalitionen leichtfallen, weil der Sündenfall einer Ausnahmeregelung bereits begangen ist.
Und was ist mit dem Wissen über Erbkrankheiten? Geben Menschen heute Versicherungen Informationen preis, die ihren Kindern oder Enkeln in Jahrzehnten teuer zu stehen kommen werden? Dieses Einfallstor für Missbrauch muss die nächste Bundesregierung schnell wieder schließen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!