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Kommentar GendiagnostikBlauäugig bei Bluttests

Wolfgang Löhr
Kommentar von Wolfgang Löhr

Alle Experten im Ethikrat heißen die Menschenrechte gut. Bei den Anwendungsgebieten der Gendiagnostik werden die Unterschiede sichtbar.

E s sind immer wieder große Worte, wenn es um Regelungen für die Gendiagnostik geht: „Selbstbestimmungsrecht“, „Verbot der genetischen Diskriminierung“, „Recht auf Nichtwissen“, „Recht auf Wissen“.

Wohl alle 26 Experten im Deutschen Ethikrat würden diese Menschenrechte gutheißen. Wenn es aber bei den einzelnen Anwendungsgebieten der Gendiagnostik konkreter werden soll, werden auch im Ethikrat nicht überbrückbare Gräben sichtbar.

Das wird vor allem bei den sogenannten pränatalen Bluttests deutlich, bei denen das mütterliche Blut auf Hinweise untersucht wird, ob beim Kind eine Chromosomenanomalie vorliegt. Anfänglich konnte mit diesem Test nur nach einer Trisomie 21 gefahndet werden. Mittlerweile sind es schon fünf verschiedene Anomalien.

Bild: taz
Wolfgang Löhr

ist Wissenschaftsredakteur der taz.

Künftig werden es noch mehr nachweisbare Eigenschaften sein, die im mütterlichen Blut ablesbar sind. Ein Teil des Ethikrates möchte diese Tests einschränken. Zum Beispiel auf schwere Krankheiten.

Andere Ethikräte sprechen sich dagegen aus; sie wollen sogar noch eine Ausweitung. Mit Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren möchten sie, dass künftig auch nach Erbeigenschaften geschaut werden darf, die für Krankheiten verantwortlich gemacht werden, die erst im Erwachsenenalter auftreten. Für diese Ethikräte haben andere Rechte wie das Recht des Kindes auf Nichtwissen hinter dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren zurückzutreten.

In der Praxis geht es noch darüber hinaus. Für die allermeisten Schwangerschaften wird ein solcher Befund das Ende durch Abtreibung bedeuten. Eine derart freizügige Regelung würde zum Beispiel aber auch ermöglichen, nur Kinder mit einer erwünschten Augenfarbe auszutragen – alle anderen kommen in den Ausschuss.

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Wolfgang Löhr
Redakteur
Jahrgang 1955, war von 1993 bis Ende 2022 Wissenschaftsredakteur der taz. Er hat an der FU Berlin Biologie studiert. Vor seinem Studium hatte er eine Facharbeiterausbildung als Elektromechaniker gemacht, später dann über den zweiten Bildungsweg die Mittelere Reife und am Braunschweig-Kolleg die allgemeine Hochschulreife nachgeholt.
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4 Kommentare

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  • G
    Günterwagener

    Sozusagen JEDER ist gegen Rassismus bzw. Diskriminierung. Im öffentlichem Leben wird mit dem Wort "BLAUÄUGIG" immer dann umgegangen, wenn es darum

    geht,ein passendes Wort für naiv oder gutgläubig ect. zu finden.

    Das diese Ausdrucksweise Menschen mit blauen Augen diskriminiert, das scheint den Herrschaften wohl egal zu sein. Dieses passiert Politikern bei Reden im Bundestag, bei Talkshows, Journalisten bei ihren Berichten ect. Eigentlich sollte "diesen GEBILDETEN" die Bedeutung dieses Wortes bekannt sein.

    Herr Löhr, es würde mich interessieren, was Sie mit der Überschrift ihres Kommentars "BLAUÄUGIG bei Bluttests" gemeint haben?

    Oder war es die Wortwahl des Ethikrates, die eigentlich für Menschenrechte eintreten und gegen Rassismus und Diskriminierung sind?

  • K
    kleinalex

    Die Argumentation von Herrn Löhr ist in sich nicht schlüssig. Einerseits argumentiert er:

     

    "Wenn nach Gefahren die erst später akut werden, gefahndet werden darf, nicht aber nach Augenfarben, dann werden BÖSE MENSCHEN kurzerhand zu GESETZESBRECHERN, die das dennoch tun und dann böse abtreiben ohne medizinischen Grund."

     

    Andererseits aber argumentiert er:

    "Wenn nur nach Gefahren gesucht werden darf, die schon den Embryo gefährden, dann ist es völlig ausgeschlossen, das ebendiese BÖSEN MENSCHEN jemals auch nur auf die Idee kommen würden, zu GESETZESBRECHERN zu werden, sie würden NIENIENIE auf die Idee kommen, nach Augenfarben oder sowas zu fahnden, um dann ggf. böse abzutreiben."

     

    Soll ich wirklich glauben, dass das ein Versehen ist? Es ist jedermann leicht ersichtlich, dass nicht beide Behauptungen zugleich wahr sein können. Entweder böse Menschen sind bereit, Gesetze zu ignorieren - oder eben nicht. Aber "wenn die Gesetze so sind, wie ich sie gerne hätte, dann wird sie niemand zu brechen wagen; sind die Gesetze so, wie ich sie lieber nicht haben möchte, dann werden sie andauernd gebrochen werden" - das ist eine Argumentation, der ich nicht anders kann als ihr bösen Willen zu unterstellen. Es wird hier versucht, Stimmung zu machen, indem die gewünschten Regelungen mit Gesetzestreuen und die unerwünschten Regelungen mit Gesetzesbrechern in Verbindung gebracht werden.

     

    Pfui!

     

    Und das nur ganz abgesehen davon, dass dieses Suchen nach Augenfarbe und derlei eh nicht funktioniert. Gerade mal das Geschlecht lässt sich ziemlich sicher feststellen. Die unerwünschte Regelung wird also mit Gesetzesbrechern in Verbindung gebracht, die etwas unmögliches tun, nur damit klar wird, wie böse die unerwünschte Regelung doch ist.

     

    Vlt. ist "Pfui!" nicht hart genug.

  • C
    carlaugusta

    Zitat: „Es gibt kein Designerbaby

     

    Der Erbgang komplexer persönlicher Eigenschaften wie Intelligenz, Musikalität, sportliche Fähigkeiten, Haar- und Augenfarbe, sprachliche Kompetenz oder künstlerisches Talent wird von vielen verschiedenen Genen, die im Einzelnen gar nicht bekannt sind, gleichzeitig beeinflusst. Die Ausprägung all der genannten Fähigkeiten ist zudem von der Umwelt abhängig, die das Individuum prägen, und auch das ist absolut nicht plan- und steuerbar. Es gibt kein einzelnes Gen, welches Lionel Messi zum weltbesten Fußballspieler, Usain Bolt zum schnellsten Sprinter der Welt und Maria Callas zur Primadonna assoluta macht. Nicht einmal eine Gruppe von Genen, auf die man die Fähigkeiten einzelner Menschen zurückführen könnte, ist bekannt.

    Das Erkennen einer diesbezüglichen genetischen Konstitution ist weder beim Embryo in der Kulturschale noch beim ungeborenen Kind noch beim geborenen und heranwachsenden Kind möglich.“ Zitat Ende

    Quelle: Vom Recht auf ein gesundes Kind, Matthias Bloechle, S. 148

    Sollen Frauen gezwungen werden, ein Kind auszutragen, das sie dann, wenn sich im 2. Schwangerschaftsdrittel eine Behinderung herausstellt, abtreiben dürfen? Mit weitaus höheren Risiken? Wissen Sie, was bestimmte Trisomien bedeuten? Manche sind mit dem Leben nicht vereinbar, andere verursachen schwere Behinderungen. Erst mal richtig schlaumachen, z.B. bei Humangenetiker/in! Ansonsten gilt auch hier mal wieder : Those who are most moral are farthest from the problem.“

  • C
    carlaugusta

    Zitat: „Es gibt kein Designerbaby

     

    Der Erbgang komplexer persönlicher Eigenschaften wie Intelligenz, Musikalität, sportliche Fähigkeiten, Haar- und Augenfarbe, sprachliche Kompetenz oder künstlerisches Talent wird von vielen verschiedenen Genen, die im Einzelnen gar nicht bekannt sind, gleichzeitig beeinflusst. Die Ausprägung all der genannten Fähigkeiten ist zudem von der Umwelt abhängig, die das Individuum prägen, und auch das ist absolut nicht plan- und steuerbar. Es gibt kein einzelnes Gen, welches Lionel Messi zum weltbesten Fußballspieler, Usain Bolt zum schnellsten Sprinter der Welt und Maria Callas zur Primadonna assoluta macht. Nicht einmal eine Gruppe von Genen, auf die man die Fähigkeiten einzelner Menschen zurückführen könnte, ist bekannt.

    Das Erkennen einer diesbezüglichen genetischen Konstitution ist weder beim Embryo in der Kulturschale noch beim ungeborenen Kind noch beim geborenen und heranwachsenden Kind möglich.“ Zitat Ende

    Quelle: Vom Recht auf ein gesundes Kind, Matthias Bloechle, S. 148

     

    Sollen Frauen gezwungen werden, ein Kind auszutragen, das sie dann, wenn sich im 2. Schwangerschaftsdrittel eine Behinderung herausstellt, abtreiben dürfen? Mit weitaus höheren Risiken? Wissen Sie, was bestimmte Trisomien bedeuten? Manche sind mit dem Leben nicht vereinbar, andere verursachen schwere Behinderungen. Erst mal richtig schlaumachen! Ansonsten gilt auch hier mal wieder : Those who are most moral are farthest from the problem.“