Kommentar G20-Finanzminister-Treffen: Kriterien gegen künftige Krisen
Die G20-Finanzminister haben definiert, wo die fünf größten Gefahren für die Weltwirtschaft lauern. Viel bringt das noch nicht, aber den Eurostaaten sollte das zu denken geben.
N ichts Geringeres als den Umbau der Weltwirtschaft hat die französische Regierung als Ratsvorsitzende auf die Agenda der G 20 gesetzt: Indem die zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer wirtschaftliche Ungleichgewichte beseitigen, soll das Gesamtgefüge stabiler werden. Und immerhin: Am Wochenende haben die G-20-Finanzminister schon einmal definiert, aus welchen fünf Bereichen ihrer Meinung nach konkrete Gefahr droht: von der Staatsverschuldung, den Haushaltsdefiziten, den privaten Schulden, aber auch durch unausgeglichene Außenhandelsbilanzen sowie ungleiche Investitionsströme.
Diese Auflistung allein nutzt noch nicht viel. Sie kann vielleicht so etwas wie ein Frühwarnsystem bilden - das sich jeder halbwegs interessierte Mensch aber auch selbst zusammenbasteln könnte. Interessant wird sie erst dann, wenn auch Zielgrößen festgelegt werden, in welchem Rahmen sich diese Indikatoren entwickeln dürfen - und zwar sowohl nach oben wie nach unten.
Wie hoch dürfen die Schulden sein? Und wie niedrig? Wie viel darf ein Land mehr im- als exportieren? Und umgekehrt: Schließlich schafft auch ein Exportüberschuss gefährliche Ungleichgewichte, weil als Ausgleich anderswo ein Defizit steht. Völlig egal, ob er wie in Deutschland vor allem durch Lohn- oder wie in China zusätzlich durch Währungsdumping entsteht.
BEATE WILLMS ist Redakteurin im Umwelt- und Wirtschaftsressort der taz.
Und wenn es für die fünf Kriterien nicht nur einen vorgegebenen Korridor gäbe, sondern Verstöße auch sanktioniert würden, hätten die G 20 so etwas wie einen globalen Stabilitätspakt.
Aber auch wenn es auf der ganz internationalen Bühne so bald noch nicht so weit kommen wird, sollte die Einigung vom Wochenende doch den Eurostaaten zu denken geben. Schließlich wollen deren Regierungschefs auf ihrem nächsten Gipfel eine Reform des Euro-Stabilitätspakts angehen. Und dabei blockiert die Bundesregierung bislang alle Versuche der EU-Kommission, auch hier einen erweiterten Kriterienkatalog anzulegen.
Stattdessen würde sie am liebsten nicht weniger und nicht mehr tun, als allen anderen Staaten eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild zu verordnen - und damit davon ablenken, dass sie mit ihren Außenhandelsüberschüssen maßgeblich mitverantwortlich ist für die Instabilität der Eurozone. Damit darf man sie nicht mehr durchkommen lassen.
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