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Kommentar FukushimaWo Menschen sind, versagen sie

Ingo Arzt
Kommentar von Ingo Arzt

Der Bericht des japanischen Parlaments ist das Psychogramm eines von Selbstzweifeln zerfressenen Depressiven. Dabei gibt es eine Konstante in der Geschichte: Technik versagt.

D ie Atomkatastrophe von Fukushima war menschliches Versagen. „Made in Japan“, begründet in der kritiklosen Ergebenheit der Japaner gegenüber den Sicherheitsversprechen ihrer Eliten und deren enormen finanziellen Mitteln.

So ungefähr drückt es das japanische Parlament in einem Untersuchungsbericht zu dem Atomdesaster aus, der sich wie das Psychogramm eines von Selbstzweifeln zerfressenen Depressiven liest.

Wenn nun Fukushima nicht nur wegen der an deutschen Flüssen ziemlich vernachlässigbaren Tsunamigefahr ein japanisches Spezifikum war, warum dann das ganze Theater mit Stresstest und Atomausstieg? Vermutlich wird der Bericht genau diese Argumentation nähren. Grundfalsch ist sie trotzdem.

Bild: taz
Ingo Arzt

ist Redakteur im taz-Ressort Ökologie und Wirtschaft.

Das liegt zunächst an dem Bericht selbst. Explizit heißt es darin, dass die zerstörten Reaktoren selbst nicht untersucht worden sind. Momentan gilt nur: Offenbar konnten die uralten Reaktoren einem absolut vorhersehbaren Naturereignis nicht standhalten. Der Bericht weist darauf hin, dass möglicherweise bereits das Erdbeben allein ausreichte, um den Kühlkreislauf des ersten Reaktors zu zerstören. Der folgende Tsunami war nicht mehr nötig.

Das würde bedeuten, dass der alte Reaktor bereits wegen eines singulären Ereignisses wie ein Erdbeben in die Knie ging. Das klingt nicht gut. In Europa stehen genug alte Schrottmeiler herum, von denen man ebenfalls explizit weiß, dass sie selbst gegen so etwas Absehbares wie Erdbeben nur unzureichend geschützt sind. Wylfa in Großbritannien ist so ein Ding oder Fessenheim in Frankreich, direkt vor den Toren Freiburgs.

Vom Risiko von Flugzeugabstürzen für Dutzende andere Meiler ganz zu schweigen. Das extrem Beunruhigende ist: Wie in Japan, so gibt es auch bei europäischen Reaktoren bekannte Mängel. Ob man sie nun aus japanischer Hörigkeit gegenüber der Obrigkeit, blindem Vertrauen in deutsche Ingenieure oder französischer Atomstaatsräson übersieht, ist egal. Jede Gesellschaft bringt ihre eigenen spezifischen Mechanismen hervor, Unfälle zu verursachen.

Daran ändert auch neue Technik nichts. Jede Technologie impliziert „menschliches Versagen“, wenn sie nicht funktioniert, schließlich wird sie von Menschen konstruiert. Was soll denn sonst versagen? Die Naturgesetze? Wenn es eine Konstante in der Geschichte gibt, dann die: Technik versagt. Im Fall der Atomkraft mit fatalen Folgen.

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Ingo Arzt
ehem. Wirtschaftsredakteur
Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.
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2 Kommentare

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  • S
    Strahlemann

    Der Mensch lernt seine Technik nur dadurch zu optimieren: Es versagt etwas, es passieren Fehler. Die werden untersucht und ausgemerzt.

    Bei der Atomkraft kann man das nicht machen. Es gibt Fehler, die dürfen einfach nicht passieren. Solche Fehler wie in Japan, oder in Tschernobyl dürfen nicht so oft passieren, sonst hat man keinen heilen Fleck Erde mehr, auf dem man das verbesserte Kraftwerk bauen kann.

  • J
    jeep

    Wieviele Leute sind aufgrund des Reaktorunfalls gestorben? Keiner? Ach so. Lebensgefährlich verstrahlt? Keiner? Ach so.

    Trotz einer Naturkatastrophe kein Toter, kein lebensgefährlich Verstrahlter. Sollte uns das zu Denken geben? Nein, wir glauben lieber: Atom ganz ganz böse.

    Zurück zum Sandmännchen (sorry, -frauchen).