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Kommentar Friedensring in OsloEin Vorbild für alle Etablierten

Reinhard Wolff
Kommentar von Reinhard Wolff

Die Initiative vor der Synagoge in Oslo setzt ein deutliches Zeichen für Solidarität. Die jungen Muslime zeigen, was Politik und Medien nicht hinkriegen.

Menschenkette vor einer Synagoge in der norwegischen Hauptstadt. Bild: reuters

Wenn ihr Juden etwas antun wollt, dann bekommt ihr es erst einmal mit uns zu tun“, brachte eine junge Muslima, die zu den InitiatorInnen des „Friedensrings“ um die Synagoge in Oslo gehörte, die Botschaft dieser Manifestation auf den Punkt. Die Aktion, die zu Recht ein breites internationales Echo fand, war ebenso berührend wie beispielhaft und nachahmenswert.

Es geschieht ja nicht ohne Grund, dass Synagogen in ganz Europa nun scharf bewacht werden und sich jüdische BürgerInnen bedroht fühlen. Und es geschieht nicht ohne Grund, wenn Menschen muslimischen Glaubens ein Bedürfnis verspüren für die Botschaft auf die Straße zu gehen: Schaut her, wir sind keine Bedrohung für euch. Im Gegenteil: Wir stehen auf eurer Seite.

Es ist ein Armutszeugnis für die Politik und den Großteil der veröffentlichten Meinung, wenn Stimmen der Vernunft, der Versuch zu beruhigen, zu sammeln, einen klaren Kopf zu bewahren, nicht aus deren Richtung kommen, sondern über den Facebook-Aufruf einer Handvoll Jugendlicher.

Während allzuviel PolitikerInnen es nicht eilig genug haben, furchtbare Bluttaten zum Anlass zu nehmen, um nach mehr Überwachung zu rufen und sogar Medien von einem angeblichen Religionskrieg faseln, sollte klar sein: die Polarisierung und Marginalisierung in der Gesellschaft dürfte durch derartige Kurzschlüsse eher zunehmen.

Die muslimischen Jugendlichen in Oslo haben gezeigt, dass es einen anderen Weg gibt. Weg von Hass, Misstrauen und Zersplitterung und hin zu Gemeinschaft und Solidarität. Dass der erste „Friedensring“ ausgerechnet in Norwegen gebildet wurde, ist sicher kein Zufall. Die Erinnerung an den Holocaust ist hier noch sehr lebendig und jüdische und muslimische Gemeinden arbeiten bereits seit Jahren in antirassistischen Zusammenhängen eng zusammen. Auf den Beginn eines „neuen Typs vom jüdisch-muslimischen Dialog“ nicht nur in Norwegen, hofft jetzt der Vorsitzende von Oslos jüdischer Gemeinde und fordert: „Look to Norway.“

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Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.
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6 Kommentare

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  • @Peterpahn:

    "was Politik und Medien nicht hinkriegen..." Ja, die sind eh ein merkwürdiges Gespann.

     

    Vllt. ist ja der großartige Text hilfreich, den Joachim Lottmann hier geschrieben hat:

    http://blogs.taz.de/lottmann/2015/02/21/religionskritik-und-rassismus/

  • "Es geschieht ja nicht ohne Grund, dass Synagogen in ganz Europa nun scharf bewacht werden und sich jüdische BürgerInnen bedroht fühlen."

     

    Europa ist auf Zack: Nachdem seit verschiedenen mitunter tödlichen Brandanschlägen und dem Lichtenhagener Pogrom, seit den Terroranschlägen von NSU und Breivik schon alle Flüchtlingsheime, Dönerläden und sozialdemokratischen Jugendferiencamps scharf bewacht werden, nun auch die Synagogen. Vorbildlich, kann man da nur sagen.

  • Also geht der erstarkende Antisemitismus und die Bedrohung jüdischer Gemeinden in Europa nicht von muslimischen Communities sondern von der Politik und den Medien aus ?

  • Sehr gut geschrieben, Herr Wolff! Norwegen ist in vielerlei Hinsicht ein Beispiel für Demokratie und Integration und auch ein Beispiel dafür, wie man mit der Großmacht China umgehen kann, ohne feindlich sein zu müssen. In dem man schlicht die Gesetze des eigenen Landes so formuliert, dass die Bürger geschützt werden vor den Aasgeiern der globalen Marktwirtschaft und nicht immer die vielen Lobbies der Industrie als schwache Ausrede nimmt, um für die Konzerne zu arbeiten, anstatt für´s Volk...

  • Einfach schön. Bitte nachmachen.