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Kommentar FriedenspreisLiao Yiwu, Chinese und Weltbürger

Jutta Lietsch
Kommentar von Jutta Lietsch

Der chinesische Schriftsteller und Musiker Liao Yiwu erhält in diesem Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Damit wird der richtige Mann geehrt.

D er chinesische Schriftsteller und Musiker Liao Yiwu erhält in diesem Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Damit wird der richtige Mann geehrt. Der 53-jährige Liao ist ein außergewöhnlich talentierter, zäher und eigensinniger Künstler. Seine Werke werfen, fern von jeder Ideologie, eine klare Sicht auf das Leben im heutigen China. Und dieses Leben ist für viele Bürger voller Widrigkeiten, wie Liao selbst erfahren musste.

Wer die Interviews mit Landsleuten in seinem Buch „Fräulein Hallo und der Bauernkaiser“ liest, seine Gedichte und Balladen, der lernt auch: Liao ist nicht nur Chinese – er ist ein Weltbürger, ein wichtiger Teil der internationalen Kultur. Als er nach dem blutigen Ende der Demokratiebewegung auf dem Tiananmen-Platz 1989 wegen seines Gedichtes „Massaker“ ins Gefängnis geworfen wurde, las er Orwells „1984“. Er weigerte sich, die Vergangenheit zu vergessen, wie es die Regierung wünschte. Später schrieb er auf, was er hinter Gittern erlebte. Womöglich wird sein Buch „Für ein Lied und hundert Lieder“ eines Tages in der Volksrepublik so gelesen werden wie „1984“ anderswo in der Welt.

Wie hunderte Millionen Chinesen erlebte Liao in seiner Kindheit die sogenannte Große Proletarische Kulturrevolution, in der Bücher verbrannt, Eltern aus politischen Gründen zur Scheidung gezwungen wurden und Schüler ihre Lehrer zwingen durften, auf Glasscherben zu knien – alles im Namen Mao Tse-tungs. Wie viele seiner Zeitgenossen las Liao heimlich die verbotenen Werke chinesischer und ausländischer Schriftsteller, die ihm ein Fenster zur Welt öffneten. Vor seiner Flucht ins deutsche Exil im Jahr 2011 sah er sich den Film „Das Leben der Anderen“ über das Stasisystem in der DDR auf einer raubkopierten DVD an. Dieser Film half ihm, wie er später berichtete, sich nicht allein zu fühlen – und sich nicht davon abbringen zu lassen, die Wahrheit über das aufzuschreiben, was um ihn herum geschah.

Bild: taz
Jutta Lietsch

war bis vor kurzem langjährige China-Korrespondentin der taz und ist jetzt Redakteurin bei taz1.

Liaos eigene Bücher gehören zu jenen Werken der Weltliteratur, die vor Zensur und Gewalt warnen. In China, aber auch in Deutschland erklären manche Politiker, Wissenschaftler und Geschäftsleute, China sei anders als alle anderen Staaten, weil es auf einem anderen Platz in der Geschichte stehe. Deshalb müssten Chinesen Zensur und Unfreiheit ertragen.

Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels für Liao erinnert daran, wie dumm dieses Argument ist.

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Jutta Lietsch
taz.eins-Redakteurin
Bis Anfang 2012 Korrespondentin der taz in China, seither wieder in der Berliner Zentrale. Mit der taz verbunden seit über zwanzig Jahren: anfangs als Redakteurin im Auslandsressort, zuständig für Asien, dann ab 1996 Südostasienkorrespondentin mit Sitz in Bangkok und ab 2000 für die taz und andere deutschsprachige Zeitungen in Peking. Veröffentlichung: gemeinsam mit Andreas Lorenz: „Das andere China“, wjs-verlag, Berlin
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