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Kommentar Fremdfinanzierung der UnisDiktatur der Unanständigkeiten

Martin Kaul
Kommentar von Martin Kaul

Wer die akademische Freiheit verteidigen will, muss sie attackieren. Das betrifft vor allem die Nebentätigkeiten von Professoren.

G erade erst wurde der Beweis geführt, wie sehr die Freiheit des europäischen Finanzmarktes zu einer kollektiven Unfreiheit geführt hat. Staaten müssen löhnen, Bürger bluten. Wir lernen daraus: Erst die Regulierung der Einen garantiert die Freiheit der Anderen. Es gibt eine weitere große Freiheit, die unberührbar zu sein scheint. Das ist die Freiheit der Wissenschaften. Es ist an der Zeit, diese Freiheit zu attackieren.

Unter dem Deckmantel der akademischen Freiheit treiben viele Akademiker ein Spiel nach eigenem Gusto. Unternehmen pumpen Millionen an die Universitäten, erkaufen sich Einfluss. In welchem Maße die staatlich alimentierten, wohlbezahlten Professorinnen durch stattliche Nebentätigkeiten hinzuverdienen, ist nicht einmal zu erraten.

Der Modus des wissenschaftlichen Arbeitens, die harten Fakten der akademischen Ökonomie sind für die Öffentlichkeit intransparent. Es gibt nur ein Mantra, das immer gilt: Die Freiheit der Wissenschaften ist unantastbar.

Bild: taz
Martin Kaul

ist taz-Redakteur für Politik von unten und twittert unter @martinkaul.

Mit diesem Argument werden alle Versuche abgewehrt, die Machtverhältnisse im Wissenschaftssektor durchschaubarer, verstehbarer zu machen. Wer darauf hereinfällt, erliegt einem falschen Freiheitsbegriff. Eine Freiheit, die es zu verteidigen lohnt, muss in ihrer Substanz auf ideologischer wie materieller Unabhängigkeit begründet sein – und nicht auf der Freiheit dazu, sich beliebig beeinflussen zu lassen.

Genau diese Unabhängigkeit aber ist in Gefahr. Klare, auch gesetzliche Regeln und Grenzen und eine transparente Wissenschaftsökonomie sind daher nicht die Fessel, sondern die Voraussetzung einer unabhängigen, freien Forschungslandschaft.

Aufgrund der historischen Erfahrung einer ideologisch unterworfenen Universität bestimmt in Deutschland jedoch das systematische Kleinklein den Modus wissenschaftlicher Praxis. Bildung und Forschung sind Ländersache. Und wenn es um Anstandsfragen geht, dann beten wiederum die Landespolitiker: das mögen doch bitte die Forscher unter sich schon regeln. Das Mittel der Wahl ist dann irgendein Kodex.

Doch ebensowenig wie ein Börsenhändler geeignet ist, über den Umfang seiner Boni zu bestimmen, sollte die Professorenschaft die Diktatur ihrer eigenen Unanständigkeiten praktizieren dürfen. Es ist eine elitäre Haltung, der geistigen Elite die Entscheidung über sich selbst zu überlassen.

Wer freie Forschung garantieren will, muss daher mutig genug sein, ihre Entstehungsbedingungen zu definieren, wo immer es geht. Die Bundesregierung sieht hier keinen Handlungsbedarf. Einige Bundespolitiker wagen sich, zaghaft, auf dieses Feld. Sie sollten tapfer vorangehen. Denn sonst gibt es unten nur Unfug.

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Martin Kaul
Reporter
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10 Kommentare

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  • K
    Kotzbrech

    Ganz normal : Die unvermeidlichen dümmlich-arroganten-naseweisen Artikel-Verrißabsonderer hier haben kein Argument zur Sache selbst im Gepäck .

     

    Da steht die taz aber drüber : sie druckt aus Gründen der Dokumentation des Zeit/un/geistes auch solches Zeug .

  • G
    GYCF

    Jaja, die böse Wirtschaft - der Artikel ist eine müde Zusammenstellung der immer gleichen linken Schenkelklopfer. Zum Gähnen.

  • S
    Siegfried

    @Barca: Entweder sind Sie schrecklich naiv oder von einer dieser Firmen, die den Daumen auf ner UNI haben.

    Sollten Sie das Erstere sein verzeihe ich den Fauxpas, denn ich kann verstehen, dass das alles ganz ungeheuerlich klingt. Die Wirklichkeit ist jedoch noch viel schlimmer.

  • G
    gelegentlich

    Analyst,

    machen Sie Ihrem Nickname mal ein wenig wahr. Und recherchieren Sie ein wenig.Zu irgendeinem relevanten Thema. Sie werden dann Folgendes sehen.Obwohl die Unis mit öffentlichem Geld forschen gibt es, weil ja Firmen die Drittmittel liefern, keine wissenschaftliche Diskussion im Fach mehr. Die Firmen halten da den Daumen drauf. Ergebnis: für, sagen wir, 50 000 € kontrolliert/manipuliert Jemand den Ertrag/Aufwand von mehr als 1 Mill. €. Sehen Sie sich die "Wissenschaftspresse" an. Inhaltslose, in entscheidenden Punkten nur verquaste Artikel mit nur einer Botschaft:hier,bei Prof Müller an der FU, gibt es eine sensationelle Investitionschance für Risikokapital. Investor, bitte melden! Man muss kein Humboldt-Nostalgiker sein um das nicht zu mögen.

  • IN
    Ihr neuer Pappsi

    Die Verquickung wird schon früh gesucht. Beispiel: ERS Kirkel strebt "Kooperation" mit Handelskette Globus an. Diese reagiert auf Hinweise so: "Es ist aus technischen Gründen nicht möglich, alle Produkte mit den richtigen Preisen €/kg zu versehen."

     

    Das ist doch schon mal der richtige Einstieg: Wir erklären Euch für Dumm und wir können uns das leisten und leisten uns das auch gerne.

     

    Nach dem Motto amerkanischer Präsdenten - ich lüge Euch alle dreist an, und ich mache das, weil ich Dir gerne zeige, was für ein hilfloser Idiot Du bist.

  • M
    Mentalist

    Ein Artikel, der so peinigend schlecht ist, wie die in bester links-nationaler, lahmer und spießiger taz-Art gehaltene Berufsbezeichnung des Verfassers erwarten lässt: "Redakteur für Politik von unten". Dagegen ist ja Edmund Stoiber ein wilder Rocker. Meine Herren, ist die taz lahm und spießig geworden.

  • F
    friedbert

    Dem Kommentar kann ich nur zustimmen.

    Zumal die Freiheit von Forschung und Lehre

    nicht gleichbedeutend ist mit der Marktfreiheit

    der Hochschulforscher und Hochschullehrer.

    Die Freiheit soll in der freien Wahl der Mittel

    und Praktiken und Techniken bezogen eben auf

    Forschung und Lehre wieder eingeschränkt werden

    und nicht auf Zusatzverdienste.

     

    In meinen Augen brauchen die Hochschulwissenschaftler

    eine bessere finanzielle und soziale Absicherung,

    auch im Mittelbau, aber einen nach oben klar beschränkten persönlichen Zusatzverdienstrahmen,

    was darüber hinaus verdient wird, muss zu 80%

    in den Lehrstuhl reinvestiert (und

    dabei nur zu max 20% in Gehaltserhöhungen

    der übrigen Mitarbeiter) werden und

    zu 10% an die Uni und zu weiteren 10%

    in den Etat des Bundeslandes.

  • B
    Barca

    Ist das ein witzig gemeinter Beitrag? Einfach mal "Kapitalismus" und "Boni" in den Raum gekreischt, irgendwie noch irgendwas von Unis und der bösen Wirtschaft dabei, das ganze garniert mit der taz-typischen Mischung aus Arroganz und Ahnungslosigkeit - was soll so was? Gibt es bei der taz gar keine redaktionelle Kontrolle? Der Artikel ist ja echt zum Fremdschämen schlecht.

  • S
    Siegfried

    Danke für diesen Artikel, er ist nur allzu wahr.

     

    Viele Universitäten erliegen den finanziellen Verlockungen von Firmen, auch weil für die einfachsten Dinge kein Geld da ist.

     

    Ausbaden müssen es die Studenten, die auf Professoren treffen, die nicht wirklich an den jungen Leuten interessiert sind....und die wiederum wehren sich nicht, weil ihnen die Lebenserfahrung/Berufserfahrung dazu fehlt, inklusive ihrer Studentenvertreter.

     

    So sitzen die einen im Elfenbeinturm, gepämpert durch ominöse Firmen und die anderen in der Galeere, mit der Angst vor dem Unmut der Professoren.

     

    Nebentätigkeiten würde ich an der UNI komplett verbieten lassen, es sei denn, der-/diejenige könnte sich von seinem UNI-Gehalt nicht ernähren. Ausserdem sollten Universitäten vom Staat direkt überwacht und auch finanziert werden.

  • A
    Analyst

    Verquerer geht es kaum noch. Freiheit - Banken - Nebentätigkeiten - Bildungslandschaft: wie kann man das verquicken? Fehlt nur noch ein wenig AlKaida. Anyway, nur der Journalismus ist sauber und rein.