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Kommentar Freihandelsabkommen TTIPIm Abgasnebel

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Die Befürworter des umstrittenen TTIP-Abkommens werben ausgerechnet mit dem VW-Skandal. Damit verkehren sie die Fakten ins Gegenteil.

Gerade die VW-Ereignisse sind gute Argumente gegen TTIP und CETA Foto: dpa

F ür die Fans von TTIP sind es schwere Zeiten: Der Widerstand gegen das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA wird nicht geringer, sondern stärker. Die europäische Bürgerinitiative gegen TTIP verzeichnet eine Rekordbeteiligung, in Deutschland gehen an diesem Samstag Zehntausende gegen das Abkommen auf die Straße – mit intensiver Unterstützung durch die einflussreichen Gewerkschaften, die nach einem zwischenzeitigen Kompromisskurs zu einer klaren Ablehnung zurückgefunden haben.

Die TTIP-Befürworter reagieren darauf mit verstärkter Werbung für das Abkommen – und sie schrecken dabei auch vor noch so absurden Fehlinformationen nicht zurück. Schon in der Vergangenheit argumentierten Industrieverbände und Bundesregierung mit angeblichen Arbeitsplatz- und Wachstumseffekten von TTIP, für die es keinerlei Belege gab. Nun soll ausgerechnet der Abgasbetrug von VW dazu dienen, den Deutschen das Abkommen mit den USA schmackhaft zu machen.

Schließlich, so lautet das neue Argument, waren es ja die US-Behörden, die dem deutschen Konzern auf die Schliche gekommen sind – da kann der Verbraucherschutz in den USA wohl nicht so schlecht sein, wie die Europäer gern behaupten. „Und, äh, was ist der aktuelle Abgas-Skandal?“, höhnte etwa die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström in der Süddeutschen Zeitung. „Wer hat die höheren Abgasstandards?“ Ähnlich argumentieren viele konservative Politiker und Kommentatoren in Deutschland: Durch TTIP, das zeige das entschlossene Vorgehen der USA gegen VW, würde der Verbraucherschutz in Europa nicht geschwächt, sondern gestärkt.

Mit der Realität hat das allerdings nichts zu tun. Vorerst hätte das Freihandelsabkommen auf Abgaswerte von Autos gar keine Auswirkungen, denn über dieses Thema ist im Rahmen von TTIP – soweit bekannt – noch überhaupt nicht verhandelt worden. Und wenn das in Zukunft passiert, wird es natürlich nicht so sein, dass die Abgaswerte und Kontrollen in Europa an die der USA angepasst werden.

TTIP verringert Kontrollen

Denn das wichtigste Prinzip, mit dem TTIP sogenannte Handelshemmnisse abbauen will, ist die „gegenseitige Anerkennung“ von Standards. Jedes Produkt, das auf der einen Seiten des Atlantiks zugelassen wurde, soll automatisch auch auf der anderen Seite akzeptiert werden. Damit werden faktisch die jeweils strengeren Anforderungen ausgehebelt und Kontrollen verringert.

Genau aus diesem Grund gehört die deutsche Autoindustrie ja zu den entschiedensten Befürwortern von TTIP. „Wenn wir unsere Regeln und Vorschriften gegenseitig anerkennen und perspektivisch sogar angleichen, dann wird dieses Abkommen zu einem Motor des Wirtschaftsstandorts Europa“, hatte Martin Winterkorn, seinerzeit noch VW-Chef, im Januar verkündet. Noch klarer benannte Rupert Stadler, Chef der VW-Tochter Audi, das langfristige Ziel der Industrie: „Entscheidend ist, dass sich die EU und die USA mit TTIP darauf verständigen, künftige Vorschriften im Automobilsektor in gegenseitigem Einvernehmen zu verabschieden und auch anzuwenden.“

Und dabei wird die Autoindustrie viel mitzureden haben. Denn über künftige Standards soll unter TTIP ein „regulatorischer Rat“ mit Vertretern aus EU-Kommission und US-Regierung entscheiden, und zwar in enger Abstimmung mit der jeweils betroffenen Industrie.

Genau jene Konzerne, die schon bisher alles daran setzen, Gesetze erst abzuschwächen und – wie zumindest bei VW erwiesen – diese anschließend mit hoher krimineller Energie zu unterlaufen, sollen in Zukunft also eine entscheidende Rolle bei der Festlegung gemeinsamer Standards spielen. Und wenn ihnen die Entscheidungen nicht passen, können sie die Staaten auch noch verklagen. Dass der Widerstand gegen TTIP nicht nachlässt, ist angesichts dessen wirklich nicht verwunderlich.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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1 Kommentar

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  • Gut, sehr gut argumentiert – danke!