Kommentar Frauenquote: Die Quote hilft der Wirtschaft weiter
Die Frauen in der Union haben genug. Sie fordern eine Frauenquote von 30 Prozent. Die Realität hat sie überzeugt - und das Desinteresse von Kristina Schröder.
D er zivile Ungehorsam ist dieses Jahr in Mode. Nach WutbürgerInnen und renitenten FDP-Euroskeptikern lehnen sich nun auch Koalitionsfrauen im Bundestag gegen ihre eigene Frauenministerin auf. Das ist historisch bedeutsam, weil insbesondere CDU- und FDP-Frauen der männlichen Parteilinie noch stets den Vorrang vor ihren frauenpolitischen Zielen eingeräumt haben.
Den Unionsfrauen aber langt es nun. Sie fordern von ihrer Ministerin mehr als eine kaum sichtbare Flexiquote, die erfüllt ist, wenn die Führungsgremien der Wirtschaft sich je eine einzige Alibifrau zulegen. Sie wollen 30 Prozent.
Wie kommts zu dem plötzlichen Aufstand? Es sind drei Entwicklungen, die die Frauen mutiger machen: Zum Ersten kommen zu den demokratischen Argumenten für eine Quote seit einigen Jahren die ökonomischen: Gemischte Führungsteams haben mehr Erfolg als homogene. Zudem legt der demografische Wandel nahe, dass man sich nach neuen Reservoirs an Fach- und Führungskräften umsehen sollte. Diese Argumentation leuchtet auch einer "Wirtschaftspartei" ein.
ist Redakteurin für Geschlechterfragen in der taz.
Zum Zweiten werden vorhandene Befürchtungen durch die Praxis entkräftet: Eine Menge anderer europäischer Länder zeigen, dass Branchen aus verschiedensten Gründen in die Knie gehen - aber nicht, weil ihnen eine Quote verordnet wird. Unter anderem hat Norwegen dies ausprobiert. Andere Länder wie Österreich, Spanien oder Frankreich folgten.
Der dritte Grund ist die Personalie Schröder. Kristina Schröder wurde aus Proporzgründen eingesetzt, interessiert sich aber kaum für Gleichstellungspolitik. "Danke, emanzipiert sind wir selber", so nennt sie ihr im Frühjahr erscheinendes Buch. Allein der Titel ist schon eine Absage an Frauenpolitik.
Dies und ihre weitgehende Wirkungslosigkeit wären aber gar nicht weiter aufgefallen, hätte sie nicht eine Vorgängerin, die mit Kita-Ausbau und Elterngeld gezeigt hat, dass auch CDU-Ministerinnen etwas in der Frauenfrage bewegen können. Es geht auch anders als bei Claudia Nolte selig oder auch bei Angela Merkel (ja, die war auch mal Frauenministerin), die das Amt schlicht verwalteten.
Die Rückendeckung durch Ursula von der Leyen hat die CDU-Frauen munter gemacht. Zu Recht. Die Zeit der Amtsverwalterinnen im Frauenministerium ist vorbei. Frauen sind zu wichtig geworden.
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