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Kommentar Frauen in Saudi-ArabienTriumph der Frauen

Silke Mertins
Kommentar von Silke Mertins

Der Weg zur Gleichberechtigung ist noch lang. Doch es zeigt sich, dass Engagement vor Ort und internationaler Druck der Sache dienen.

Protest in Riad im März 2014 Foto: ap

N ach Gefängnis und Flucht ist es Manal al-Sharifs großer Traum gewesen, eines Tages am Steuer ihres Autos aus dem Exil nach Saudi-Arabien zurückzukehren. Nun ist es so weit: Der saudische König hat ein Dekret erlassen, Führerscheine künftig auch an Frauen auszugeben. Für al-Sharif, die mit ihrem Autofahrvideo auf YouTube 2011 eine Bewegung in Gang setzte, ist es ein Triumph. „Jeder Regen beginnt mit einem Tropfen“, war ihr Motto. Sie hat recht behalten.

Bei dem Erfolg der Women4Drive geht es aber nur vordergründig ums Autofahren. Frauen in der ganzen Region haben mit dem Kampf um den Führerschein nun erlebt, dass sie selbst in den reaktionärsten Staaten etwas erreichen können. Das eigentliche Problem in Saudi-Arabien bleibt jedoch die Vormundschaft. Eine saudische Frau bleibt immer das Mündel eines männlichen Verwandten.

Auch wenn sie nun einen Führerschein beantragen darf – sie braucht immer noch die Erlaubnis ihres Vormunds. Genauso ist es, wenn sie arbeiten, ins Ausland reisen oder auch nur eine Wohnung mieten oder Möbel kaufen möchten. Ohne Erlaubnis dürfen saudische Frauen höchstens an den Herd huschen. Aber bitte nicht hüpfen, es könnte das Jungfernhäutchen reißen.

Diesen Kampf können und müssen die Frauen in Saudi-Arabien natürlich selbst führen. Doch wie sehr Unterstützung aus dem westlichen Ausland ihnen hilft, lässt sich an dem Führerscheindekret leicht erkennen. Es dürfte kein Zufall sein, dass al-Sharifs Buch „Losfahren“ („Da­ring to Drive“) in diesem Sommer erschienen ist und ein riesiges Echo fand. Der Imageschaden für das Königreich ist enorm, denn immer öfter wird zu Recht gefragt, was Saudi-Arabien eigentlich vom „Islamischen Staat“ unterscheidet – sehr heikel für die Saudis.

Al-Sharif erteilt einen Rat, den man in Berlin unbedingt beherzigen sollte: Entsendet BotschafterINNEN. Am besten mit Regenschirm, denn es könnte sein, dass es in Saudi-Arabien demnächst öfter regnet.

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Silke Mertins
Redakteurin Meinung
Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik
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7 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Sprachkritik:

    Wie wirkt "Triumph" im politischen Diskurs?

    Vor ein paar Tagen stand das Wort auch schon in einem feministischen Artikel in der taz. Folgendes verstehe ich als konstruktive Kritik:

     

    "Triumph" hat für die Unterlegenen etwas zusätzlich abwertendes, eine Art Häme. Wie ein Nachschlagen oder Nachtreten.

     

    Mit einem "Triumphwagen" fährt der römische Feldherr ein in seinem "Triumphzug" durch die eroberten Städte.

    Der NS-Film "Triumph des Willens" sollte allen ein Begriff sein.

     

    Im feministischen Kontext wirkt das auf die politisch geschlagenen, enttäuschten und ohnehin in ihrem Ehrbegriff verletzten Männer noch zusätzlich demütigend. Bildlich gesprochen heißt das, Salz in die offene Wunde zu streuen.

     

    Emanzipation ist ja eine Sache der Befreiung und nicht der Herrschaft (oder Herrinnenschaft). Mit einer "triumphalen" Sprache bekommt die Freiheit aber einen abfälligen Unterton, der zumindest tendenziell an der Glaubwürdigkeit der Motive zweifeln läßt. "Triumphatoren" geht es eher um Eroberung als um Befreiung.

     

    Ich wünschte mir etwas weniger Triumph und dafür mehr von der Diskussion, wie auch Männer vom Patriarchat unterdrückt werden, wie traditionell bei der Wehrpflicht und im Berufsleben, wo Familie tendenziell noch weniger eine Rolle spielen darf als bei Frauen, wie bei alleinerziehenden Männern deutlich wird. Es sollte im Diskurs besser klarwerden, dass es gegen das Patriarchat geht und nicht gegen Männer (oder hab ich da was falsch verstanden).

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @85198 (Profil gelöscht):

      Nur um das genau zu sagen: Ich fühle mich jetzt hier nicht perönlich angegriffen durch diesen 'Triumph'.

  • Vielleicht fehlt in dm Artikel ja die eine oder andere Information, aber so wirkt er wenig überzeugend.

     

    Die Unterstützung aus dem westlichen Ausland besteht ausschließlich darin, dass in Buch gekauft wurde. Bücer gabe es schon vrschiedene. Weshalb sollte ein Buch das saudische Königshaus auf einmal beeindrucken?

     

    Es wirkt, als drücke der Artikel nur das Wunschdenken der Autorin aus.

     

    Vielleicht ist die Veröffentlichung und die Aufhebung des Verbots kein Zufall, deshalb muss aber noch lange kein Kausalzsammenhang bestehen. Vielleicht ist beides Resultat eines innergesellschaftlichen Diskurses. Aus meiner Sicht am wahrscheinlichsten.

     

    Wenn das saudische Königshaus etwas draufgeben würde, was die Öffetlichkeit im Westen denkt, hätte es viel früher viel grundlegendere Reformen gegeben.

  • 3G
    39167 (Profil gelöscht)

    Jetzt dürfen sie fahren, aber nur mit dem Einverständnis eines männlichen Vormunds und noch immer mit eingeschränktem Gesichtsfeld.

    Ehmmm, ich sehe da nicht wo der Erfolg wirklich liegt.

  • Autofahren ist kein Menschenrecht. Natürlich war das eine Diskriminierung, die nun aufgehoben worden ist. Aber andere deutlich wichtigere Bereiche bleiben bestehen. Im Zeitalter selbst fahrender Autos ist das sowieso bald obsolet. Demnächst wird es Länder geben, in denen niemand mehr selbst Auto fahren darf. Nur in der deutschen autozentrierten Weltsicht bekam das Autofahrverbot so eine unverdiente Wichtigkeit.

    Frauen dürfen nicht Radfahren. Frauen dürfen nicht an Stränden im Meer baden. Männer dürfen Frauen nicht singen hören. Die Liste ließe sich lange fortsetzen.

    • @Velofisch:

      Women4Drive ist kein Marketing Gag der deutschen Autolobby, sondern aus dem tiefen Wunsch heraus entstanden, etwas mehr Unabhängigkeit zu erlangen. Natürlich gibt es (in Saudi) noch haufenweise Mist bis zur Erlangung von einem halbwegs gleichberechtigten Status. Aber jetzt haben die Frauen halt unter anderem damit angefangen. Von selbstfahrenden Autos war ausserdem 2011 oder früher (als zum Beispiel die ersten Frauen Autofahr Proteste durchführten) keine Rede. Und ich wage zu behaupten, dass Fahrrad fahren deutlich schwieriger zum Durchsetzen gewesen wäre. Ihr Post zeugt von europäisch-zentrierter Sichtweise. Für diese Frauen ist das ein Meilenstein und ein wichtiger Step vorwärts. Die haben Folter und Gefängnis dafür in Kauf genommen. Jede Tätigkeit, die dies mit sich bringt, erfordert Courage und Mut, diese auszuführen. Das System bröckelt. Und das haben die Frauen jetzt auch mitbekommen.

    • @Velofisch:

      "Autofahren ist kein Menschenrecht."

       

      Das ist Ansichtssache, wenn es nach Daniel Neuburg geht dann sind drei Unzen Kaviar am Tag sicher auch ein Menschenrecht!