piwik no script img

Kommentar Frankreichs RegionalwahlenLetzte Warnung

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Der Front National geht leer aus, alle sind erleichtert. Die Probleme, die zum Erstarken der extremen Rechten geführt haben, bleiben dennoch ungelöst.

Ergeben wird sich der Front National noch lange nicht - Wahlverlierin Marion Marechal-Le Pen. Foto: dpa

E inmal mehr spielt sich der rechtsextreme Front National in Frankreich als „Opfer“ des Wahlsystems und der Verschwörung der „Etablierten“ auf. Die Partei von Marine Le Pen hat am Sonntag im Vergleich zu den Regionalwahlen von 2010 ihren Stimmenanteil und die Zahl der Sitze in den Regionalräten fast verdreifacht, lag nach dem ersten Wahlgang in sechs Regionen zum Teil sehr deutlich in Führung.

Dennoch geht diese „Gewinnerin“ leer aus, weil sie keine der 13 Regionen erobert. Alle anderen sind erleichtert. Mit einem Anflug von Selbstkritik sagen die linken und bürgerlichen Parteisprecher, sie hätten verstanden, dass die Wählerschaft ungehalten und unzufrieden seien.

Nochmals haben die französischen WählerInnen mit einer außerordentlichen Mobilisierung die Notbremse gezogen, um den FN zu stoppen, als er bereits nach der Macht greifen wollte. Es ist hauptsächlich der höheren Wahlbeteiligung zu verdanken, dass in drei besonders gefährdeten Regionen der FN zuletzt doch keine relative Mehrheit erringen konnte.

Das ist die schöne Seite des Resultats. Nicht ganz so toll ist hingegen, dass die Sozialisten in zwei Regionen zudem ihre Listen aus der Stichwahl zurückziehen und so der bürgerlichen Rechten den Vortritt lassen mussten. Diese politische Selbstverleugnung erschien ihnen als letztes Mittel, im Norden und an der Côte d‘Azur den FN noch aufzuhalten.

Die weniger beruhigende Ansicht besteht aber vor allem darin, dass mit diesem Wahlausgang keines der Probleme gelöst wird, die zum Erstarken der extremen Rechten geführt haben. Der FN hat sich mit seiner aggressiven Islam- und Fremdenfeindlichkeit und seinen reaktionären Ideen auf Dauer in den Köpfen eingenistet und wird sich nicht immer mit solchen mehr symbolischen Erfolgen zufrieden geben.

Diese Regionalwahlen waren vielleicht die letzte Warnung, schreiben heute zahlreiche Zeitungen in Frankreich. Sie waren jedenfalls wie eine Hauptprobe vor dem großen Termin von 2017, wenn der Staatspräsident und die Abgeordneten gewählt werden. Wenn dann der FN nicht an die Macht gelangen soll, muss die Mobilisierung jetzt beginnen, nicht erst auf der Zielgeraden beim Wahlfinale.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Ergebnisse der zweiten Runde der Wahlen in Brison Saint-Innocent, Dorf der Savoie:

    Verstärkte Beteiligung, eine Wählermobilisierung, die Fragen aufwirft

    http://saintinn-elections.over-blog.com/

  • "Die weniger beruhigende Ansicht besteht aber vor allem darin, dass mit diesem Wahlausgang keines der Probleme gelöst wird, die zum Erstarken der extremen Rechten geführt haben."

     

    Sie meinen mit "Probleme" also die Rechten selber? Ich jedenfalls kann kein anderes erkennen.

  • Stimmt! Kein echtes Problem ist gelöst, aber die Knackpunkte Frankreichs werden ausgesprochen.

     

    Die Wirtschaftsmisere ist großenteils imprtiert (Sozialdumping der deutschen Freunde). Der Rest ist hausgemacht.

     

    Zuallererst muß die politische Elite von ihrem hohen Roß runter! Diese Leute haben nur wenig Kontakt mit dem Volk.Eine konsequente Politik muß man den Wählern verkaufen. Und wenn man das nicht kann, muß man es eben lernen.

     

    Bleibt zu hoffen, daß der Premier Vals es läßt, mit hohlen Worten und großartigen Gesten den Leuten imponieren zu wollen (auch wenn der Präsident sich krampfhaft an seinem Vorbild Mitterrand und Louis XIV festklammert.

     

    Los, Leute, der Wähler will Taten sehen - und sie verstehen!

    • @Harry Haller:

      Wieso sollten die Franzosen 2017 anders entscheiden? Die Lohnstueckkosten liegen in Deutschland hoeher als in Frankreich.

  • Der Front National geht leer aus?

    "Die Partei von Marine Le Pen hat am Sonntag im Vergleich zu den Regionalwahlen von 2010 ihren Stimmenanteil und die Zahl der Sitze in den Regionalräten fast verdreifacht, ..."

    Wie blind muss man sein, um angesichts solcher Zahlen davon zu schreiben, der Front National wäre leer ausgegangen? Das Potenzial zur kommunal- und regionalpolitischen Einflussnahme sowie für kommende Wahlen(-kämpfe)hat sich verdreifacht!

    Kein einziges der vom FN ausgeschlachteten Probleme ist gelöst.

  • Bleibt die Frage, welche Konsequenzen die etablierten Parteien Frankreichs nun ziehen können. Da die Ursachen für die immer stärkeren Zugewinne des FN sehr vielfältig sind, ist das eine nicht ganz leichte Aufgabe.

     

    Darüber hinaus hat dieses Wahlergebnis natürlich auch erhebliche Konsequenzen innerhalb der EU. So ist z. B. eine Vereinbarung über die Verteilung von Flüchtlingskontingenten noch unwahrscheinlicher geworden, als es bisher bereits der Fall war. In Frankreich wird weder die jetzige Regierung noch Sarkosy bereit sein, zahlenmäßig relevante Zusagen zu machen – das würde nämlich vermutlich politischen Selbstmord bedeuten. Da sich auch in Großbritannien die Lage nicht wesentlich anders darstellt, wird der deutsche Wunsch nach einem europäischen Verteilmechanismus auch weiterhin nahezu gänzlich unerhört bleiben.

  • "Alle Anderen sind erleichtert" Da gibt es die Ausnahme der betrübten Katholischen Kirche Frankreichsdie noch vor wenigen Tagen verkünden ließ:

     

    "Katholische Kirche beendet in Frankreich die Ausgrenzung des Front-National. Der Grund ist offensichtlich eine junge Frau aus dem Süden: Die praktizierende Katholikin Marion Maréchal-Le Pen."

     

    Quelle:http://www.kath.net/news/53244

    • @Friedensgrenze:

      Das Gleichnis vom Verlorenen Schaf, obwohl ein naheliegender Mastab für das Handeln der katholischen Kirche, wird hierbei sicher weniger eine Rolle gespielt haben, insoweit stimme ich zu.

      An der allgemeinen Erleichterung glaube ich jedoch auch nicht.

  • "...dass mit diesem Wahlausgang keines der Probleme gelöst wird, das zum Erstarken des extremen Rechten geführt hat." Hier fehlt es einfach an Inhalt und Lösungen. Schreiben Sie sich mehr ....helfen Sie uns. Ich habe nämlich keine Antwort.

  • Wäre es nicht um die FN gegangen, so wäre jetzt bestimmt die Rede von Demokratiedefiziten. Das Problem ist damit nicht gelöst. Das Problem besteht auch nicht darin, dass so viele Französ_innen FN gewählt haben. Das Problem besteht darin, dass die anderen Parteien eine so schlechte Politik machen, dass die FN bei vielen als bessere Alternative gesehen wird.

    Das Problem ist nicht die Wahl, die FN oder die Wähler_innen. Das Problem ist die schlechte Politik, an der die EU und Frau Merkel ebenfalls ihren Anteil haben.

    • @Velofisch:

      Ganz genau, besser hätte man es nicht sagen können. Interviewt man die Leute in den FN Hochburgen merkt man auch, dass diese einfach restlos enttäuscht sind und sich allein gelassen fühlen. Das haben die etablierten Parteien zu verantworten.

      • @Dennis Krause:

        Vielleicht bietet eine anvisierte Energiewende den "Sozialisten" in Fr. die Möglichkeit, was gegen die Tristes in der Provinz zu tun, dieser Lebensmöglichkeiten einzuhauchen.