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Kommentar Frankreich WahlenSarkozys Schonfrist ist vorbei

Dorothea Hahn
Kommentar von Dorothea Hahn

Frankreichs Linke lebt wieder auf: Ein Denkzettel für Sarkozys nicht eingehaltenen wirtschaftlichen und sozialen Versprechen - und für sein ostentatives Luxusleben.

Die Kommunalwahlen haben gezeigt, dass die französische Linke lebt. Sie lebt, obwohl ihre größte Partei, die PS, seit langem ein erbärmliches Spektakel liefert aus unklarer Politik, wechselnden Allianzen mit linken und rechtsliberalen Partnern und einem permanenten öffentlichen Führungsstreit. Und obwohl der Konkurrenzkampf zwischen der PS und den verschiedenen Kräften links von ihr mancherorts stärker ausgeprägt ist als das gemeinsame Vorgehen gegen die rechte Präsidentenpartei UMP.

Zwar bleibt es bei den absoluten Mehrheiten der UMP an der Staatsspitze und in den beiden Kammern des Parlaments. Aber im tiefen Frankreich und in fast allen mittleren und großen Städten steht ihr nunmehr eine oppositionelle Mehrheit gegenüber: 20 der 22 französischen Regionen befinden sich schon seit 2004 in linker Hand. Dasselbe gilt fortan für die Kommunen.

Vor dieser Realität können weder Präsident Nicolas Sarkozy noch die Regierung von François Fillon die Augen verschließen. Ihre Schonfrist ist vorüber. Nach nur zehn Monaten. Wegen der nicht eingehaltenen sozialen und wirtschaftlichen Versprechen von Sarkozy - und auch wegen seines eigenen ostentativen Luxuslebens - hat die UMP jene "populären" Wählerschichten wieder verloren, die im vergangenen Mai den Ausschlag für Sarkozys Wahlsieg gegeben haben.

Für die französische Linke waren die Kommunalwahlen eine Gelegenheit, ihre Stärke zu messen. Auf den ersten Blick hat vor allem die PS profitiert. Doch dahinter verbirgt sich eine weitere Realität: Auch die kleineren und radikaleren Kräfte der französischen Linken sind stärker geworden: von der totgeglaubten KPF bis zu der trotzkistischen LCR, die vielerorts über 5 Prozent gekommen ist.

Auch daran wird die Regierung denken, wenn sie die nächsten Sozialeinschnitte, die sie "Reformen" nennt, plant. Zwar stehen vorerst keine weiteren Wahlen in Frankreich an. Aber die Stärke der Linken an der Urne könnte sich als Nächstes auf der Straße oder in der sozialen Arena zeigen.

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Dorothea Hahn
Korrespondentin
Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.

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