Kommentar Flut in Afrika: Die schleichende Katastrophe
300 Tote und 1,5 Millionen Flutbetroffene - so manifestiert sich die Erderwärmung in Afrika. Unter der Überschwemmungen leiden vor allem jene, die es ohnehin schwer haben.
Dominic Johnson ist Afrika-Experte der taz und Redakteur im Auslandsressort.
Es gibt keine Jahreszeiten mehr, ist dieser Tage häufig in Teilen Afrikas zu hören. Die Abfolge von Trocken- und Regenzeiten verschwimmt, in manchen Ländern ist schon das ganze Jahr keine Woche ohne Regenfälle vergangen. Das ist nicht nur für Durchschnittsbürger ärgerlich, sondern für fragile Volkswirtschaften eine Belastung - und für viele Menschen eine Katastrophe. Flüsse treten über die Ufer und bleiben dort, Berghänge werden brüchig, Felder verwandeln sich in Sümpfe, ohnehin unzureichende Wasserleitungssysteme sind permanent überlastet, und in manchen Gegenden wird Sonnenschein zur Rarität und die Temperaturen bleiben selbst hinter denen Europas zurück.
Diese schwer zu bewältigenden Langzeitfolgen stecken hinter den Schlagzeilen von 300 Toten und 1,5 Millionen Flutbetroffenen aus über einem Dutzend afrikanischer Länder, die dieser Tage - reichlich spät - für Aufsehen in Europa sorgen. Die ersten Schäden verursachten die sintflutartigen Regenfälle in der Sahelzone und im Sudan schon vor über einem Monat, bevor sie sich ausbreiteten.
Dauerregen und Dauerkälte sind das Gegenteil dessen, was wir aus internationalen Prognosen als Folgen der Erderwärmung in Afrika zu erwarten gelernt haben. Aber genau so manifestiert sie sich jetzt. Die hier geläufige Gleichsetzung von Klimawandel mit Katastrophe hat offenbar den Blick dafür verstellt, was Klimawandel wirklich bedeuten kann: nicht den großen Knall, der von ei- nem Tag auf den anderen die Meeresspiegel um mehrere Meter ansteigen lässt. Auch nicht den großen plötzlichen Sturm, der Städte verwüstet. Sondern die stetige Verschlechterung bereits prekärer Lebensumstände, das Ende von klimatischer Sicherheit und damit auch von geregel- ter bäuerlicher Landwirtschaft, die nach wie vor die Lebensgrundlage der Ärmsten der Welt darstellt.
Am meisten leiden darunter jene, die es jetzt schon am schwersten haben - etwa die Bäuerinnen in Burkina Faso oder Uganda. Hier muss internationale Hilfe zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels ansetzen.
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