Kommentar Finanztransaktionssteuer: Fortschritt bei der Steuerflucht
Privatpersonen ist steuerlich klar beizukommen. Bei Firmen hingegen fehlt noch viel – und die Transaktionssteuer ist in Gefahr.
E s ist zu schön, um wahr zu sein. Nach jahrelangen Kampagnen für Finanztransaktionssteuer und die Schließung von Steueroasen kommt endlich Bewegung in die Sache. Das Fass zum Überlaufen brachte der Offshoreleaks-Skandal, der den Regierungen in Deutschland und Großbritannien gewaltig in die Wahlkampfparade fuhr. Beide konservativ-liberalen Koalitionen waren bisher nicht durch gerechte Steuerpolitik aufgefallen.
Seit einigen Monaten sind die Regierungsverbünde OECD, G 8, G 20 und EU so aktiv wie nie im Kampf gegen Steuerflucht und aggressive Steuervermeidung von Großunternehmen. Beim genaueren Hinsehen wird jedoch deutlich, dass es bei der Schließung von Steueroasen für Privatpersonen deutlich besser vorangeht als bei den dreisten Steuerschiebereien transnationaler Unternehmen.
Der privaten illegalen Steuerflucht ist vergleichsweise einfach beizukommen: Erträge von steuerlichen Ausländern müssen an die Finanzämter der Heimatländer automatisch gemeldet werden. Wenn dann noch die Identitäten der Eigentümer von Schattenfirmen, wirtschaftlich Begünstigten von Stiftungen und Lebensversicherungen, Trusts und anderen Verschleierungskonstruktionen grenzüberschreitend transparent werden, ist der Spuk mit der Steuerflucht rasch beseitigt.
43, ist Mitglied der Grünen im Europäischen Parlament und dort im Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Er ist Mitbegründer von Attac-Deutschland und des Tax Justice Networks, einer Organisation, die sich für Steuergerechtigkeit einsetzt.
Alle Staaten können dann ihr Steuerrecht wieder souverän auf alle Einkünfte ihrer BürgerInnen anwenden und so auch progressive Steuersätze auf hohe Kapitaleinkommen erheben.
Es wäre jedoch naiv, dabei auf ein Einsehen der Steueroasen-Länder zu vertrauen, die ihre Souveränität als Steuerhafen für Vermögende aus aller Welt feilbieten. Seit den 1920er Jahren und den ersten Verhandlungen zum Bankgeheimnis im Rahmen des Völkerbunds blockieren die Schweiz und ihre fiskalischen Zauberlehrlinge jeden ernstlichen Fortschritt.
Das Zauberwort zur Durchsetzung der internationalen Kooperation lautet: FATCA. Mithilfe des „Foreign Account Tax Compliance Act“-Abkommens haben die USA den Hebel nicht bei den sturen Staaten, sondern bei den Banken angesetzt. Wer mit den USA und seinen BürgerInnen als Finanzdienstleister Geschäfte machen will, muss grenzüberschreitend Steuerdaten liefern oder eine saftige Strafe zahlen.
Diesen Text lesen Sie in der taz.am wochenende vom 15./16. Juni 2013. Darin außerdem: „Der Krisenmigrant: Eric Vázquez Jaenada ist weg aus Spanien. Hauptsache Arbeit! Also nach Deutschland.“ Der Schriftsteller Andreas Altmann über seine Getriebenheit und seinen Lebenshunger. Und: Deutsche Whistleblower kommentieren die Datenspionage des US-Geheimdienstes NSA. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Erst seit dieses Gesetz in Kraft ist, sind auch Luxemburg, die Schweiz, Österreich & Co in internationalen Institutionen bereit, ihr Bankgeheimnis nicht mehr durch Steuerausländer missbrauchen zu lassen. Die Verhandlungen laufen auf allen Ebenen, und es sieht gut aus, dass der automatische Informationsaustausch zum internationalen Standard wird. Dabei gilt es nun wachsam zu bleiben, dass so wenige Schlupflöcher wie möglich bleiben und der Datenschutz gewahrt wird.
Viel schwieriger ist die Lage bei den Maßnahmen gegen aggressive, aber legale Steuervermeidung von transnationalen Konzernen. Hier genügt es nicht, Informationen auszutauschen. Staaten müssen sich vielmehr auf Regeln einigen, wer bei verflochtenen Unternehmen das Besteuerungsrecht auf welches Einkommen hat. Das greift tief in die Souveränität von Staaten ein. Wie arm sich Konzerne rechnen können, haben Amazon, Google, Starbucks & Co hinlänglich bewiesen. Doch ganz einfache Antworten gibt es darauf nicht.
Der Teufel steckt im Detail
Gerade in der EU müssen Mitgliedsländer bereit sein, die Regeln zur Berechnung ihrer Steuerbasis anzugleichen. Das wird aber nicht genügen. Auch Mindeststeuersätze auf Unternehmensgewinne sind notwendig, um dem Steuertreiben Einhalt zu gebieten. Dabei können diese Mindeststeuersätze in ärmeren Staaten niedriger sein als in reichen, da sie ja auch weniger Bildung, Infrastruktur und Sicherheit für die Investoren bieten.
Doch davon sind wir noch weit entfernt, denn die Ideologie von der segensreichen Wirkung des Steuerwettbewerbs ist noch tief verankert, auch in unserer Bundesregierung. Dabei ist doch offensichtlich, dass offene Grenzen auch gemeinsame Regeln für alle Wettbewerber brauchen. Ohne Kampagnen der Zivilgesellschaft und Konfliktbereitschaft geschädigter Staaten werden große Fortschritte kaum durchsetzbar sein.
Tragisch waren die letzten Wochen für die Finanztransaktionssteuer. Nachdem elf Staaten sich in der EU zusammengetan haben, um die Steuer in einer „verstärkten Zusammenarbeit“ in der EU einzuführen, steckt nun der Teufel im Detail. Kaum ein Tag vergeht, an dem die Finanzindustrie und von ihnen bezahlte Spindoktoren und Studienschreiber nicht neues Störfeuerwerk entzünden.
Viele Gegner der Steuer haben nun die Strategie gewechselt und verlangen dreiste Ausnahmen – wohl wissend, dass wesentliche Ausnahmen wie auf Derivate, Investmentfonds & Co der Tod der Steuer sind, weil sie dann mithilfe von Finanzalchemie leicht umgehbar wird. Gut möglich, dass die Finanzindustrie Erfolg haben wird und die Spekulationssteuer zu einer Ministeuer auf wenige Finanzprodukte geschrumpft wird.
Daher dürfen die Freunde der Finanztransaktionssteuer dem Treiben der Lobby nicht länger tatenlos zusehen. Die Unterstützer in Regierungen und Parlamenten werden es allein nicht schaffen. Der Zivilgesellschaft will man zurufen: Rettet die Finanztransaktionssteuer! Fahrt die Kampagnen wieder hoch!
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