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Kommentar FinanzspekulationenEinfach mal verzockt

Steuergeld wird in hochspekulative Finanzgeschäfte investiert. Riskante Wetten sind keine sinnvollen Instrumente der Absicherung.

Ein alpenländischer Skandal? Da muht keine Kuh nach. Riskante Wetten mit dem Steuergeld sind europäische Normalität.

U ps, da hat Salzburg mal eben ein paar hundert Millionen Euro mit Wetten unter anderem auf Fremdwährungen verzockt – oder auch nicht, wie aktuelle Berechnungen zeigen sollen. Fest steht im Moment nur, dass eine Angestellte der öffentlichen Hand über Jahre hinweg Steuergelder in hochspekulative Finanzgeschäfte investiert hatte, ganz ohne Kontrollen und Einschränkungen.

Ein alpenländischer Skandal? Nein, nur europäische Normalität. Auch in Deutschland wollten Städte und Gemeinden an den Verheißungen des modernen Finanzkapitalismus partizipieren und steckten über Jahre hinweg Steuergelder in riskante Wetten, die sie oft genug verloren.

Der Bundestag hielt schon vor fast zwei Jahren eine Anhörung, in der Sachverständige bestätigten, wie gefährlich diese Geschäfte sind. Der Bürgermeister von Pforzheim berichtete damals, wie seine hoch verschuldete Stadt die Zinszahlungen mithilfe von spekulativen Wertpapieren, sogenannten Derivaten, „optimieren“ und die dadurch entstandenen Verluste „minimieren“ wollte. Am Ende standen Verluste von 56 Millionen Euro.

NICOLA LIEBERT

ist Autorin der taz.

Passiert ist seither wenig. Nur Sachsen konnte sich zu einem Verbot spekulativer Zinsderivate für Kommunen durchringen. Anderswo scheint der Gesetzgeber immer noch den Einflüsterungen der Banken Glauben zu schenken, riskante Wetten – an deren Vermittlung sie selbst prächtig verdienen – seien sinnvolle Instrumente der Absicherung.

Wie viele Finanzkrisen und verzockte Steuermillionen sind denn noch nötig, damit man endlich begreift, was der erfolgreichste Investor der Welt, der Amerikaner Warren Buffett, schon längst konstatierte: Derivate sind finanzielle Massenvernichtungswaffen. Das Mindeste ist, den Einsatz von Steuergeldern für solche Deals zu verbieten.

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4 Kommentare

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  • V
    verboten

    Sämtliche offiziellen Euro-"Rettungs"-Wege bauen auf Gewinnhöhen, die nur mit solchen Pokerspielen erreicht werden können.

    Das ist genau der Knoten im Hirn der bankenhofierenden EU-Politikerschar, die ihre Bürger für die nächsten 10 Generationen verpfänden, sofern sie es wirklich nicht besser wissen.

  • G
    Goldfinger

    Nachdem die Finanzmärkte "erfolgreich" dereguliert wurden, muss man sich über die Folgen nicht wundern. Anstatt Kommunen finanzell ordentlich auszustatten, lässt man sie wetten. Unglaublich! Diesen Zockern und ihren Helfershelfern ist das Handwerk zu legen. Aber unter schwarz, gelb und rot grün ist da nichts zu befürchten. Lieber "rettet" man die Verursacher, schont die Steuerhinterzieher und bürdet somit den unbeteiligten Bürgern hohe Schulden auf. Um nach diesen Maßnahmen nach verstärkten "Sparprogrammen" zu rufen, weil der Staat und die Kommunen unterfinanziert sind. Welche kranken Hirne und Wirtschaftsnieten bestimmen über uns? Die allermeisten Mainstream-Journalien leisten dazu noch Hofberichterstattung und präsentieren willfährige "Wissenschaftler" die diesen Kurs stützen. Volksverdummung in Vollkommenheit. Leider!

  • D
    dieter

    Einfach mit anderen Produkten gleichstellen.

    Zum Vergleich, beim "normalen" Glücksspiel fällt Mehrwertsteuer und Vergnügungssteuer an, zusammen etwa 40%.

    Aufgrund welcher Ausnahmeregelung ist das bei Derivaten anders?

  • M
    m-black

    Leider ist die Welt nicht ganz so einfach:

     

    Mit Hilfe von Derivaten können z.B. variable Zinszahlungen in feste getauscht ("geswapt") werden. D.h. ich kann die aktuell tiefen Zinsen dazu nutzen, diese jetzt festzuschreiben. Das ist durchaus sinnvoll.

     

    Fazit: für Kommunen sollten solche Derivate zwar nicht verboten, aber die Nutzung nur für ABSICHERUNGEN (d.h. risikoreduzierende Geschäfte) erlaubt werden. Und nicht für spekulative (risikoerhöhende) Geschäfte. Das setzt aber voraus, dass solche Kommunen die Risiken auch messen können - und die Risiken der Risikomessung wiederum abschätzen können.

     

    Ich schätze die TAZ sehr, obwohl ich oft anderer Ansicht bin. Aber ich würde mir vor allem beim Thema Finanzmärkte manchmal etwas mehr Differenzierung wünschen. Danke!