Kommentar Finanzkrise: Wirtschaftskrise steht noch aus
Regierungen stehen mit Milliardenbeträgen dafür ein, dass der Finanzsektor nicht zusammenbricht. Die Parteien könnten jetzt darüber reden, wo öffentliches Geld künftig investiert werden soll.
Seit dem Börsenschluss am vergangenen Freitag sind in Europa vier, in den USA eine große Bank durch den Staat vor dem Aus bewahrt worden. Weitere wackeln. Täglich pumpen die Zentralbanken weltweit zwei- und dreistellige Milliardenbeträge in den Finanzsektor, damit dieser flüssig bleibt. Wo das nicht hilft, springen diverse Regierungen mit ähnlichen Summen ein und retten, was noch zu retten ist. US-Regierung und -Parlament haben in Rekordzeit ein 700-Milliarden-Dollar-Paket geschnürt - aber nun bezweifeln die Experten doch, dass es nachhaltig helfen wird.
Gut klingt das alles nicht. Die Banken schrauben sich gerade in genau die Spirale hinein, die alle vermeiden wollten: erst Ausfälle in einem Sektor (faule Hypotheken), dann allgemeine Angst und langsames Austrocknen der Kredite für immer weitere Bereiche. Es wird immer deutlicher, dass sich die Krise nicht auf die Finanzkonzerne beschränken lässt, sondern langsam auch auf die produzierende Wirtschaft überzugreifen droht. Zuerst wird es dort hoch verschuldete Firmen treffen, die ihre Kredite dann nicht mehr erneuern können.
Ein absurder Aspekt des Problems ist: Wir haben noch gar keine Wirtschaftskrise. Das bedeutet, dass die Weltwirtschaft noch lange nicht am Boden angelangt ist. Erst von dem kann dann wieder ein Neuanfang nebst Aufschwung et cetera starten.
Angesichts dieser trüben Aussichten lohnt es wohl, etwas grundsätzlicher zu denken. Wenn schon die Staaten gezwungenermaßen allen möglichen Firmen unter die Arme greifen und die Schuldenlast der Steuerzahler dabei hochtreiben, dann braucht es jetzt dringend eine Debatte darüber, wo denn die künftige Entwicklung hingehen soll. Denn lohnen sich die täglichen Rettungsaktionen wirklich? Lautet das Ziel "weiter so" wie bisher - auf in die nächste Spekulationsblase? Oder muss erst neues Vertrauen geschaffen werden - etwa durch Aufbau einer nachhaltigeren Wirtschaftsentwicklung nebst nötiger Infrastruktur?
Überall suchen die Parteien verzweifelt nach unverwechselbaren Inhalten. In welche Sektoren all das staatliche Geld investiert werden soll - das wäre doch ein lohnendes Thema für eine ausführliche demokratische Debatte. REINER METZGER
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links