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Steuerzahler müssen haftenRettungspaket für Hypo Real Estate

Der Bund beteiligt sich an einer Bürgschaft für den Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate mit 27 Milliarden Euro. Auch andere Banken in Europa haben schwer zu kämpfen.

Belastung für den Steuerzahler: Die Hypo Real Estate. Bild: dpa

Hypo Real Estate

Entstanden ist Hypo Real Estate (HRE) 2003, als die HypoVereinsbank ihr gewerbliches Immobilienfinanzierungsgeschäft abspaltete. Sie ging noch im gleichen Jahr an die Börse und schaffte es zwei Jahre später in den DAX. Der Konzern beschäftigte Ende 2007 rund 2.000 Mitarbeiter, davon knapp 900 in Deutschland.

Zur Hypo Real Estate Holding AG gehören mehrere Banken, das Geschäft ist in drei Bereiche gegliedert. Von sich reden machte die HRE im vergangenen Sommer, als sie die in Irland angesiedelte Depfa-Bank für 5,7 Milliarden Euro schluckte. Durch die Übernahme wollte die HRE Zugang zu staatlichen Projekten bekommen, auf die die Depfa weltweit spezialisiert ist. DPA

BERLIN taz Die weltweite Finanzkrise hat zum ersten Mal eine deutsche Großbank erwischt: Die Hypo Real Estate muss durch Bürgschaften in Höhe von 35 Milliarden Euro gerettet werden. Davon übernimmt der Bund 26,6 Milliarden Euro; den Rest tragen privatwirtschaftliche Banken. Allerdings muss der Haushaltsausschuss des Bundestages noch zustimmen, der am Dienstag zu einer Sondersitzung zusammenkommt. Zudem wurde die EU-Kommission nicht vorab informiert, die sich nun eine gründliche Prüfung vorbehält.

Die Hypo Real Estate ist durch ihre irische Tochter Depfa ins Schleudern geraten, die sie überhaupt erst im letzten Jahr übernommen hatte. Damals schien dieser Erwerb eine gute Idee zu sein, denn die Depfa ist auf Staatsbauten spezialisiert und dieses Geschäft gilt als besonders risikoarm. Was nun zum Problem wurde: Die Depfa hat langfristige Kredite kurzfristig refinanziert, um die Zinsdifferenz auszunutzen. Jahrelang funktionierte dieses Geschäftsmodell, doch jetzt sind die Banken kaum noch bereit, sich untereinander Geld zu leihen - zu groß ist das Misstrauen, dass die anderen Institute durch die weltweite Finanzkrise in Schwierigkeiten geraten könnten. Bei der Depfa drohte ein Liquiditätsengpass.

Trotz der Rettungsaktion brach der Kurs der Hypo Real Estate am Montag zeitweise um mehr als 75 Prozent ein - das ist der größte Verlust, der jemals bei einem DAX-Wert verzeichnet wurde.

Verwirrung stiftete zudem, dass sich das Bundesfinanzministerium am Montagmorgen etwas unklar über die Zukunft von Hypo Real Estate ausließ: Ziel sei die "geordnete Abwicklung", sagte ein Ministeriumssprecher, der auch von einem "geordneten Untergang" sprach.

Das sieht die Krisenbank selbst ganz anders: Zumindest Hypo Real Estate glaubt noch an die eigene Zukunft. Die Bürgschaften sichern Kredite eines Bankkonsortiums ab - und damit sei der Refinanzierungsbedarf "auf absehbare Zeit gedeckt", wie es optimistisch auf der Homepage von Hypo Real Estate heißt. Experten rechnen allerdings damit, dass Abschreibungen in Milliardenhöhe fällig werden.

Die Anleger reagierten geschockt auf die Krise bei der Hypo Real Estate: Der DAX brach bis zum Nachmittag um drei Prozent auf 5.878 Punkte ein. Auch andere Finanztitel gerieten in Mitleidenschaft - vorneweg die Commerzbank, die erneut fast 18 Prozent verlor.

Die Anleger beunruhigte auch, dass die Hypo Real Estate keineswegs die einzige europäische Bank ist, die übers Wochenende gerettet werden musste. So griffen Belgien, Luxemburg und die Niederlande bei Fortis ein - und kauften Sonntagnacht für 11,2 Milliarden Euro 49 Prozent des Finanzkonzerns. "Sonst wäre sehr die Frage gewesen, ob Fortis den Montagmorgen noch überlebt hätte", sagte der niederländische Finanzminister Wouter Bos hinterher.

Auch Fortis war letztlich in Not geraten, weil Kreditgeber kein weiteres Geld mehr herausrücken wollten. Im vergangenen Jahr hatte Fortis die ABN Amro Bank für 24 Milliarden Euro übernommen - was sich nun als deutlich überteuert herausgestellt hat. Zudem wurde dieser Deal damals weitgehend über Schulden finanziert, für die nun keine Geldgeber mehr zur Verfügung standen. Die Benelux-Regierungen geben sich aber überzeugt, dass Fortis im Kern gesund ist: Das Engagement auf dem krisengeschüttelten US-Hypothekenmarkt sei "übersichtlich". ABN Amro soll jetzt wieder verkauft werden, für mindestens 12 Milliarden Euro. Allerdings fragt sich, ob sich ein Interessent findet: Kaum wurde bekannt, dass die niederländische ING als Käufer in Frage kommen könnte, sank deren Börsenkurs ebenfalls kräftig.

Auch die britische Regierung musste am Wochenende aktiv werden: Sie verstaatlichte die Hypothekenbank Bradford & Bingley und übernahm ein Portfolio von 50 Milliarden Pfund, das zum großen Teil riskante Anlagen wie Immobilienkredite enthält. 18 Milliarden Euro musste der Finanzminister zuschießen, um die Bank vor der Pleite zu bewahren. Bradford & Bingley ist bereits die zweite britische Bank, die in Staatsbesitz übergeht: Im Februar wurde die Hypothekenbank Northern Rock vor dem Konkurs gerettet.

In Großbritannien ist die Lage der Banken besonders prekär, weil die Immobilienpreise rasant fallen - die Häuser haben innerhalb von nur einem Jahr 10 Prozent an Wert verloren. Die Folge: Inzwischen sind die Immobilien häufig weit weniger wert als die Hypotheken, die sie besichern sollen. Gleichzeitig stecken viele Briten in der Schuldenfalle: Wenn sie ihre Kredite nicht mehr bedienen können, nutzt es ihnen nichts, ihre Häuser zu verkaufen - bleiben sie doch weiterhin auf einem Teil der Schulden sitzen. Bei den Banken wiederum fallen entsprechende Abschreibungen an. Experten rechnen damit, dass diese Deflationsspirale noch längst nicht ihr Ende erreicht hat. Gerade aus Großbritannien und den USA sind daher weitere Bankpleiten zu erwarten.

Vorerst aber scheint es mit der Dexia eine weitere Bank in Belgien und Frankreich zu treffen. Der belgische Premier Yves Leterme deutete eine Rettungsaktion an. Zuvor waren die Aktien des französisch-belgischen Instituts um 30 Prozent abgestürzt. Die Europäische Zentralbank (EZB) pumpte unterdes am Montag 120 Milliarden Euro in den Markt, um die Stimmung zu beruhigen.

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7 Kommentare

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  • BK
    Bank Kunde

    Bei allem was man bislang so über die Krise gelesen hat und was auch immernoch quasi minütlich an Meldungen hereinkommt (http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-aktien/hypo-real-estate.asp) wage ich zu bezweifeln, dass hier noch irgendetwas stabil gehalten werden kann. Und diese ewigen "Rettungspakete" bringen's ja wohl auch eher nicht. Vielleicht wird Island ja doch noch zum Vorbild?!

  • BS
    Boris Schlensker

    SCHON KLAR.

     

    SOZIALISMUS FÜR REICHE!

     

    DAS GEMEINE VOLK IST NICHT SO DUMM,WIE SIE ES

    GERNE HÄTTEN,GENOSSE STEINBRÜCK!

     

    Aus der Selbstdarstellung der HRE:

    http://www.hyporealestate.com/797.php

     

    "Mit einer Bilanzsumme von fast 400 Milliarden Euro und rund 1900 Beschäftigten ist das Unternehmen in Europa, Amerika und Asien aktiv. Die beiden Kerngeschäftsfelder, die Finanzierung des öffentlichen Sektors und von gewerblichen IMMOBILIEN, geben der Hypo Real Estate Group eine STARKE und AUSGEWOGENE Kombination unterschiedlicher Ertragsquellen. Die Gruppe ist damit GUT POSITIONIERT,um die SCHWANKUNGEN EINZELNER MÄRKTE UND KONJUNKTURPHASEN AUSZUGLEICHEN. Wichtiger Eckpfeiler des Geschäftsmodells ist zudem die Fähigkeit, Finanzierungen auf DIE EIGENE BILANZ zu nehmen. Das schafft die Grundlage für STABILE und NACHHALTIG wachsende ERGEBNISSE."

     

    Peer Steinbrück im SPIEGEL:

     

    SPIEGEL: And what about the fact that KfW just happened to transfer €319 million ($463 million) to Lehman Brothers, the US investment bank that declared bankruptcy that very same day? This sort of thing doesn't exactly create confidence in state-owned banks.

     

    Steinbrück: That was an awful mistake, of course. A grotesque error. But it was a mistake made by bank executives, not the administrative board, which includes politicians among its members.

     

    SPIEGEL: It proves that normal risk management procedures failed completely -- directly under the nose of the finance minister.

     

    Steinbrück: No, it proves that an inexcusably wrong decision was made. Do you think I wasn't livid about this? The entire crisis we are talking about here is incomprehensible for the normal citizen. But such an idiotic transfer -- even my 89-year-old mother is outraged about it. All 80 million German citizens understand this…

     

    WIR VERSTEHEN NICHT WIE ES ZU DEM IDIOTISCHEN TRANSFER KOMMEN KONNTE,ABER HÄTTEN GERNE EINE PLAUSIBLE ERKLÄRUNG!

  • M
    manfred (56)

    ...und schon entwickeln die Ackermänner dieser Republik Strategien, wie sie einen möglichst großen Teil der steinbrückschen Bürgschaften auf ihre Konten schaufeln können. Oder glaubt wirklich jemand ernsthaft daran, die Bürgschaften des Bundes blieben unangetastet? Wenn man sie einkassieren kann, werden sie voll abgegriffen. Das hat für diese Parasiten noch einen angenehmen Nebeneffekt: Der Bund muß neue Schulden machen, und da werden dann wieder Zinsen fällig, die man auch noch kassieren kann. Und wir zahlen die Zeche.

     

    Nebenbei: Diesen Zockern und Halsabschneidern sollen wir nach dem Willen der Bundesregierung unsere Altersvorsorge anvertrauen.

     

    Da hilft nur eines: Das ganze Bankenwesen gehört vergesellschaftet.

  • W
    wernerinitaly

    Das ist doch pervers: wieviele Privatpersonen sind ruiniert, weil Banken ihnen keinen Kredit zur Refinanzierung ihrer Ausgaben mehr gegeben haben, und wenn mal so eine Bank ein bisschen jammert, springt der Staat, also die Allgemeinheit, mal eben so mit 27 Milliärdchen ein...

    Finanzieren die soviele Abgeordnete oder gar den Finanzminister, oder was hab ich da übersehen?

  • A
    anke

    Habe ich das richtig verstanden? Die deutsche Großbank Hypo Real Estate hat eine einjährige irische Tochter namens Depfa. Diese Tochter finanziert hauptberuflich Staatsbauten und refinanziert nebenberuflich die langfristigen Kredite, die sie vergibt, durch kurzfristige Darlehen, die sie zu niedrigeren Zinssätzen aufnimmt. Sie lebt also quasi auf Pump, was natürlich nur so lange gut geht, wie man sie für kreditwürdig hält.

     

    Die durch einen Kurseinbruch von 75% untermauerte Behauptung der Börse, man hielte in Bankerkreisen die für mich bislang namenslosen Mutter besagter minderjähriger Tochter ab sofort für nicht mehr kreditwürdig, veranlasst die Bundesregierung nun, mit Steuergeldern im Umfang von 26,6 Milliarden Euro dafür zu bürgen, dass die Bankenwelt flugs einsieht, dass sie sich irrt. Prima! Wenn das meine Tochter erfährt, weiß sie vermutlich ganz genau, was sie zu tun hat!

     

    Nur gut, dass keines meiner Kinder Zeitung liest! Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn die vernetzte Jugend von heute geschlossen auf diesen Trichter käme! Wer sollte uns geplagte Mütter finanziell minderbegabter Töchter dann vor dem völligen Bankrott retten? Der Urgroßneffe des Bankgründers Adelbert Delbrück, Finanzminister Peer Steinbrück etwa?

  • SD
    Stefan Dernbach

    Wieviel Kindergärten, Schulen und Universitäten könnte man mit diesem Geld ausstatten?

     

    Stefan Dernbach, Siegen ( Flimmerwelt)

  • B
    Banker

    Ist schon komisch, dass diese (wie auch andere ) Schieflagen von Banken immer einen Tag nach einer Wahl bekannt werden.... Bei Ole und der HSH-Nordbank war es ja auch so. Kommt bei mir immer ein Gefühl von Insidergeschäft zwischen Politik und Wirtschaft auf. Hilfst du mir,helfe ich dir... Der Börsengang der DB(wird in diesem Börsenumfeld wohl eher verschachert als verkauft)scheint ja auch so zu laufen, frage mich wer da die Hand aufhält. Unfassbar....