Kommentar Feinstaub-Urteil: Verklagt die Kommunen!
Das Recht auf saubere Luft zu bestätigen, war längst überfällig. Jetzt gibt es ein Mittel gegen die Hinhaltetaktik der Politiker.
Hanna Gersmann ist stellvertretende Leiterin des taz-Ressorts Wirtschaft und Umwelt
Mit seinem neuesten Urteil zum Feinstaub ruft der Europäische Gerichtshof die Bürger auf, ihre schlampigen Politiker unter Druck zu setzen - damit sie endlich ihren Job machen. Jeder darf nun die Stadtverordneten verklagen, wenn diese den Umweltschutz schleifen lassen. Dieses Urteil ist gut - und war längst überfällig. Die Richter stoppen mit ihm ein mehr als ärgerliches Politikergebaren.
Dabei ist die Sachlage klar, seitdem die EU-Mitgliedstaaten schon vor Jahren eine Feinstaub-Richtlinie beschlossen: Wirtschaftspolitiker und Stadtverordnete wurden eindeutig angewiesen, nicht länger abzuwarten, bis das Land gefährlich verstaubt. Sie taten es dennoch und beschränkten sich auf Absichtserklärungen gegen die krebserregenden ultrafeinen Partikel - und dann tricksten und murksten sie.
So ignorierte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel über Monate Hinweise, dass die Filter, die Zehntausende in ihre staubenden Diesel einbauten, nur mehr Attrappen waren. Die Leute waren bereit, der Umwelt entgegenzukommen. Die Politik und die Industrie waren es nicht. Zwar versprachen die Automobilkonzerne, künftig saubere Modelle auf den Markt zu bringen. Auch davon ist bislang kaum etwas zu sehen. Ihre Hinhaltetaktik wird durch die SPD und die Unions-Kanzlerin gedeckt.
Leider sind auch die Kommunen nicht besser. Die Berliner, Kölner oder Stuttgarter etwa unterliefen ihre eigens in den Zentren eingerichteten Umweltzonen durch zahlreiche Ausnahmegenehmigungen. Doch wer die Luft entlasten will, muss alle Autofahrer zum Umsteigen bewegen und ihnen Alternativen im Nahverkehr anbieten. Stattdessen verloren die Kommunen die großen Linien der Verkehrs- und Umweltpolitik aus dem Blick.
Dabei geht es auch anders als lediglich mit Klein-klein. Die Niederländer etwa erlauben nur neue Straßen, wenn schon die Planer überzeugend vorgerechnet haben, dass rundherum die Staub-Limits eingehalten werden. Und die Schweizer haben Bagger und Kompressoren ohne Rußfilter von innerörtlichen Baustellen verbannt. Politiker hierzulande denken leider selten so vorausschauend. Doch gegen Politikverdruss gibt es jetzt ein Mittel: Klagen!
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