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Kommentar FDPDie neue Spaßpartei

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Diese Personalrochade ist eine interessante Mischung aus viel Bewegung und wenig Änderung. Im Grunde ist dies noch immer die Westerwelle-FDP - mit ein paar anderen Gesichtern.

P olitik ist nicht lustig. Umso mehr ist zu loben, wie energisch die FDP derzeit das bescheidene Unterhaltungsniveau der hiesigen Politik hebt. Die Liberalen spielen Reise nach Jerusalem und lassen uns daran teilhaben. Der Gesundheitsminister wird Wirtschaftsminister, weil er glaubt, da einen besseren Eindruck zu machen. Der Wirtschaftsminister, der im Weg, aber ein gewiefter Reise-nach-Jerusalem-Spieler ist, bekommt dafür den Stuhl des Fraktionschefs. Die Fraktionschefin, die im Weg, aber keine so versierte Spielerin ist, wird Vizeparteichefin.

Das ist zwar kein richtiger Stuhl, aber besser als nichts. Daniel Bahr, der Vizeparteichef werden sollte, wird Gesundheitsminister. Nur über Entwicklungshilfeminister Niebel redet niemand. Offenbar ist er zu unwichtig, um beim heiteren Ringelreigen mitspielen zu dürfen.

Dem Publikum mag bei diesem Drehkarussell ganz schwindelig werden. Doch dafür gibt es keinen Grund. Denn eigentlich ändert sich gar nicht viel. Diese Personalrochade ist eine interessante Mischung aus viel Bewegung und wenig Änderung, aus maximalem machtpolitischem Energieaufwand und minimalem Effekt. Denn abgesehen davon, dass der neue FDP-Chef Philipp Rösler endlich das unpopuläre Gesundheitsministerium los ist, bleibt vieles gleich.

taz

Stefan Reinecke ist Redakteur im Berliner Parlamentsbüro der taz.

Generationenwechsel? Rainer Brüderle, der knorrige Wirtschaftsliberale, der schon Minister war, als Generalsekretär Christian Lindner seine Schultüte bekam, ist keineswegs entmachtet. Als Fraktionschef hat er einen Posten, von dem aus er mögliche Öffnungen zur SPD oder einen moderaten Ökokurs wirksam bekämpfen kann. Dass eine solche Öffnung angestrebt wird, ist allerdings gar nicht zu erkennen. Das zeigt die Berufung von Daniel Bahr, einem entschlossenen, überzeugten Neoliberalen, zum Gesundheitsminister. Im Grunde ist dies noch immer die Westerwelle-FDP - mit ein paar anderen Gesichtern. Eine hübsche Randpointe ist, dass Rösler vor ein paar Tagen noch mehr Frauen in der FDP-Spitze forderte - und jetzt eine fast rein männliche Führung etabliert. Die FDP ist derzeit wirklich eine Spaßpartei.

Dieser Zustand wird allerdings nicht von Dauer sein. Wenn das amüsante Stühlerücken vorbei ist, beginnt unweigerlich die Fahndung nach neuen Inhalten. Es gilt ja, das Image der Steuersenkungspartei abzustreifen. Ein Label dafür gibt es schon: "mitfühlender Liberalismus". Lustig wird das nicht.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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10 Kommentare

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  • SW
    Stefan Wehmeier

    “Wie ersichtlich, basiert die wirtschaftliche Freiheit auf dem Grundsatz des freien Wettbewerbes. Er ist der zentrale Freiheitsbegriff, um den sich alle anderen Freiheiten anordnen. Frei ist, wer wirtschaftlich frei ist; und wirtschaftlich frei ist, wer sich ungehindert am Wettbewerb beteiligen kann. Umgekehrt ist unfrei, wer an der Teilnahme am Wettbewerb gehindert oder gar vom Wettbewerb ausgeschlossen ist. Wirtschaftliche Freiheit und damit das Fundament der Freiheit überhaupt ist nichts anderes als das Recht zur Beteiligung am Wettbewerb.

    Was dagegen heute die so genannte Freiheit ausmacht, ist die Freiheit politischer Art, die vorwiegend darin besteht, bei irgendeiner Abstimmung, die meist zu Unrecht die Bezeichnung “Wahl” führt, Ja oder Nein sagen oder irgendeinen Zettel abgeben zu dürfen. Diese politische Freiheit ist vergleichsweise bedeutungslos; sie kann, ebenso wie die persönliche Freiheit und die Freiheit der Religionsausübung, ohne die wirtschaftliche Freiheit gewährt werden und ist dann ein Torso.

    Während die wirtschaftliche Freiheit nach dem Gesagten die persönliche Freiheit automatisch mit einschließt, können umgekehrt – wie das Vorhandensein des Proletariats schlagend beweist – persönliche, religiöse und politische Freiheitsrechte bestehen, zugleich aber die entscheidende wirtschaftliche Freiheit der Beteiligung am Wettbewerb vorenthalten und damit der wirtschaftlichen Ausbeutung der Freiheitsberaubten Tür und Tor geöffnet werden.”

     

    Otto Valentin, aus “Die Lösung der Sozialen Frage”, 1952

     

    Das ist auf den Punkt gebracht das ganze Dilemma der “Liberalen” des 21. Jahrhunderts: Sie haben vergessen, was Freiheit überhaupt bedeutet, und sie haben nie begriffen, wie die zentrale Freiheit, die wirtschaftliche Freiheit in einem monopolfreien Markt (echte Soziale Marktwirtschaft), zu verwirklichen ist.

     

    Die Ordoliberalen der 1950er Jahre kannten wenigstens noch die richtige Definition der Sozialen Marktwirtschaft: eine freie Marktwirtschaft ohne Kapitalismus, die den Sozialstaat zur Finanzierung kapitalismusbedingter Massenarbeitslosigkeit gar nicht nötig hat, weil sie prinzipbedingt für natürliche Vollbeschäftigung sorgt, unabhängig vom jeweiligen Stand der Technologie.

     

    Daraus wurde, wie wir wissen, eine kapitalistische Marktwirtschaft mit angehängtem Sozialstaat – und wäre es auch dann geworden, wenn die Ordoliberalen ihre damaligen Forderungen einer “umfassenden Antimonopolgesetzgebung” und so genannter “Korrekturen der Einkommensverteilung” in vollem Umfang hätten durchsetzen können!

     

    Ein monopolfreier Markt, in der jeder freien Zugang zum Wettbewerb hat, lässt sich nicht durch Verbote realisieren, denn diese können den Wettbewerb nur noch weiter einschränken! Diese Vorgehensweise, nach der die heutigen “Liberalen” – so wie alle anderen politischen Parteien – ausschließlich verfahren, ist eben nicht liberal, sondern entspricht ganz im Gegenteil der kurzsichtigen Denkweise des Sozialismus:

     

    “Aus dem offenkundigen Versagen des historischen Liberalismus erwuchs die sozialistische Bewegung mit dem Ziel, die missbrauchten Freiheitsrechte einzuschränken zugunsten der Gesamtheit und besonders zugunsten der wirtschaftlich Schwachen. Diese Zielsetzung beruht jedoch auf einem Denkfehler; denn der historische Liberalismus versagte nicht, weil er zuviel, sondern weil er zuwenig Freiheit verwirklichte.”

     

    Dr. Ernst Winkler, aus “Theorie der Natürlichen Wirtschaftsordnung”, 1952

     

    Die “Liberalen” rudern zurück und nicht nach vorn. Um nach vorn in Richtung Freiheit und Marktgerechtigkeit zu kommen, muss die Marktwirtschaft vom parasitären Gegenprinzip des Privatkapitalismus befreit werden; aber nicht durch eine Einschränkung der Freiheitsrechte in Richtung planwirtschaftliche Diktatur (Totalitarismus bzw. Staatskapitalismus), sondern durch die Beseitigung der beiden primären Monopole Geld und Boden, die seit jeher die wirtschaftliche Freiheit – von einem zwangsläufigen Krieg bis zum nächsten – einschränken, und die den “Denkfehler Sozialismus” überhaupt erst haben entstehen lassen!

     

    Der “Liberale”, der gar nicht weiß, was wirtschaftliche Freiheit bedeutet, missbraucht die Reste, die es davon noch gibt, um unverdiente Knappheitsgewinne (Zinsen, Renditen und private Bodenrenten) auf Kosten der Mehrarbeit anderer zu erpressen, und nennt das dann “Freiheit”. Dass der “Rest” der Gesellschaft das nicht mehr versteht und dann aus lauter Verzweiflung den “Denkfehler Sozialismus” wählt, sollte einleuchten. Und es sollte ebenfalls einleuchten, dass die Eliminierung des Privatkapitalismus nicht etwa den technologischen Fortschritt hemmt, sondern ganz im Gegenteil diesen erst entfesselt, weil verdiente Knappheitsgewinne aufgrund technischer Innovation (der eigentliche Antrieb unternehmerischen Handelns) jetzt nicht mehr durch unverdiente Knappheitsgewinne von “großen Investoren” geschmälert werden.

     

    Die echte Soziale Marktwirtschaft entspricht exakt der Natürlichen Wirtschaftsordnung, die Silvio Gesell bereits 1916 vollständig und widerspruchsfrei beschrieben hatte:

     

    http://www.deweles.de/files/soziale_marktwirtschaft.pdf

     

    Über alles andere braucht niemand mehr nachzudenken, denn es hat mit wirtschaftlicher Freiheit nichts zu tun.

     

    Warum ist das so schwer zu verstehen? Fragen Sie die “heilige katholische Kirche”:

     

    http://www.deweles.de/files/himmel_auf_erden.pdf

  • J
    Janina

    Die Wähler des bürgerlichen Koalition sollten sich an die eigene Nase fassen, anstatt immer vorherige Regierungen verantwortlich zu machen. Eine Einsicht von 1blick.

  • U
    Ulrich

    "Mitfühlender Liberalismus", das erinnert an das Geschwätz von George W. Bush vom mitfühlenden Konservatismus. Was soll das bedeuten, mit wem will die FDP mitfühlen? Etwa mit den Schwachen dieser Gesellschaft? Solange die FDP unter Liberalismus lediglich die Freiheit der Reichen versteht, von ihrem Wohlstand nichts abgeben zu müssen, ist diese Partei für mich jedenfalls völlig unwählbar.

  • G
    Genschman

    Ein realistischer Ausblick des Autors. Doch gleich Spaßpartei? Für den Spaß mit der Reise nach Jerusalem bekommen die Spieler Diäten, Pensionen, Spesen, Spenden - von dem bis auf weiteres (u.a. mit Einfluß der FDP)regierten Wählervolk. Wirkt die Bühne nur deshalb so spaßig; weil es im Publikum so wenig zu lachen gibt? Beispielsweise über Röslers Gesundheitsreform.

  • H
    Hasso

    Lausbubengeschichten! Politik ade!-Dieser Haufen ist einmalig in der BRD und nicht zu toppen. Sollte man die Politik nicht besser von Voll-Idioten machen lassen? Was nutzt es, wenn man Rudimente austauscht? Es bleibt doch alles, wie es gewesen.- Steuerfresser abwählen? Die "Freiheitsstatue Deutschlands" wird bald so frei sein wie noch nie!

  • DP
    Daniel Preissler

    @wb

    wieder mal ein halb gelungener Gag von dir...

  • WB
    Wolfgang Bieber

    Die FDP steht vor einem Umbruch und Neuanfang, den sie inhaltlich, personell und strukturell nutzen muss, um die Interessen der Bevölkerung mit klarer Stimme und Einfluss in der Bundesregierung vertreten zu können:

    http://bit.ly/iXUGzZ

  • S
    Stimmvieh

    Wenn die Mitglieder der FPD etwas anderes wollten als den Sozialstaat auf Kosten ihrer Steuersätze zu demolieren, hätten sie nicht Westerwelle zum Vorsitzenden gewählt. Und bis auf Frau Leutheuser-Schnarrenberger sind alle hochrangigen FDP-Mitglieder Pappnasen, die sind da noch schlimmer dran als Union und SPD...

  • V
    vic

    Die sind nur so lange lustig, wie sie nicht in Parlamente gewählt werden. Schon wenig FDP bedeutet viel viel Lobbyeinfluss.

  • V
    vic

    Eben hörte ich in D-Radio Kultur; Rösler hätte mit seiner Parteireform "Stärke gezeigt" und "Führungskraft bewiesen". Ich dachte daraufhin, heute in der Nacht muss etwas geschehen sein das sich meiner Kenntnis entzieht. Aber nein, gemeint war die bekannte Loser-Rochade.

    Das erinnert mich an die gestrige Ausgabe von Frontal 21 zum Thema Bin Laden: "Sein Leichnam wurde in weißes Tuch gehüllt im Meer bestattet"

    Ich behaupte, er (wer auch immer) wurde stückchenweise aus dem Hubschrauber geschmissen.

    Medien!