Kommentar FDP und Mindestlohn: Banger Blick in Richtung Wahlherbst
Ein ums andere Mal fallen die Liberalen um: Weil sie im Wahljahr die gesellschaftlichen Diskurse nicht länger einfach ignorieren können.
D ie FDP steigt gerade in das tiefe Loch, das sie sich als Koalitionspartner fleißig gegraben hat. Nun, gegen Ende der Legislaturperiode, lenkt sie selbst beim Thema Mindestlohn ein. Sieben Monate vor der Bundestagswahl sehen irritierend viele Liberale Handlungsbedarf.
Parteichef und Vizekanzler Philipp Rösler spricht sich für faire Löhne aus, „die unserem Grundgedanken der Leistungsgerechtigkeit entsprechen“. Der designierte Spitzenkandidat Rainer Brüderle hält eine Einigung mit der Union auf Lohnuntergrenzen für möglich. Und selbst Guido Westerwelle, eigentlich für Außenpolitik zuständig, liegen plötzlich die Geringverdiener am Herzen: „drei Euro Stundenlohn“ seien unsozial.
Woher der Sinneswandel? Es ist im Grunde das immer gleiche Spiel. Die Union agiert und zwingt die Liberalen, zu reagieren. Zuerst bäumt sich die FDP noch ein bisschen auf, um schließlich doch alles abzunicken. Das war beim Europäischen Stabilitätsmechanismus so. Auch beim Betreuungsgeld. Aktuell beim Adoptionsrecht für Homopaare. Die Finanztransaktionssteuer winkt sie womöglich auch bald durch.
ist Korrespondentin im Parlamentsbüro der taz.
Es ist der bange Blick Richtung Wahlherbst, der die Liberalen ein ums andere Mal umfallen lässt. In Zeiten, da Umfragewerte von fünf Prozent Erleichterung auslösen, kann die FDP gesellschaftliche Diskurse nicht länger ignorieren. Kaum jemand möchte noch sein Kreuzchen machen bei einer Partei, der der freie Markt alles, die in ihm Beschäftigten hingegen wenig bedeuten. Nicht umsonst haben die Sozialdemokraten einen Gerechtigkeitswahlkampf angekündigt, in dem sie sich mit der Linkspartei einen Überbietungswettbewerb sozialer Wohltaten liefern.
Dann wäre da noch das Signal Richtung Union. Bitte, bitte koaliert noch mal mit uns! Mitregieren kann so schön sein. Aber auch ziemlich demütigend.
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