Kommentar FDP, Gauck und die Bundesversammlung: Der Preis der Präsidentenwahl
Nach der Nominierung von Joachim Gauck signalisieren FDP-Landesverbände Sympathie mit ihm. Das Kalkül von Rot-Grün ist aufgegangen.
W er hätte das gedacht. Da macht es die Kanzlerin den Liberalen scheinbar recht, sie nominiert einen schwarz-gelben Ministerpräsidenten für das Amt des Staatsoberhaupts und verzichtet auf einen Anruf bei der Frau, die bei manchem FDP-Politiker als "Zensursula" verschrien ist. Und was geschieht? Während die Partei seit Wochen alle Demütigungen fast schweigend ertrug, signalisiert nun ein Landesverband nach dem anderen Sympathie für Joachim Gauck. Als habe die FDP auf einmal die ganze Dimension von Freiheit wieder entdeckt, für die der Oppositionskandidat steht wie kaum eine andere Person des öffentlichen Lebens.
Wie die Botschaft in Wirklichkeit gemeint ist, hat Angela Merkel natürlich durchschaut. Am Tag vor der entscheidenden Kabinettsklausur zum Haushalt äußerte sie sich skeptisch gegenüber Steuererhöhungen. Denn nach der Landtagswahl in NRW vom 9. Mai ist nun ein weiterer Termin hinzugekommen, den es bei Regierungsbeschlüssen zu beachten gilt: die Bundesversammlung am 30. Juni. Bis dahin sollte die Union eine weitere Brüskierung der FDP tunlichst unterlassen, will sie nicht ein peinliches Ergebnis für ihren Präsidentschaftskandidaten Christian Wulff riskieren.
Damit ist das Kalkül aufgegangen, das Rot-Grün mit der Nominierung Gaucks verfolgte. Die FDP, von der Union bei Steuern und Kopfpauschale vorgeführt, lässt nun das gelbe Lichtlein einer möglichen Ampelkoalition blinken, in Nordrhein-Westfalen wie bei der Präsidentenwahl.
Zu früh freuen sollte sich die FDP allerdings nicht. Den offiziellen Haushaltsentwurf legt Schäuble erst am 7. Juli vor. Bis dahin ist das neue Staatsoberhaupt schon gewählt, und anders als in Düsseldorf gibt die Sitzverteilung im Bundestag keine Ampelmehrheit her.
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