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Kommentar Europas FlüchtlingspolitikMehr Fragen als Antworten

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Europa ist an einem Neubeginn im Verhältnis zu Nordafrika interessiert. Aber dafür braucht es eine verantwortungsbewusste Flüchtlingspolitk.

M an muss schon ziemlich verzweifelt sein, um heutzutage nach Griechenland zu fliehen. Aber die Nachricht, dass im arabischen Revolutionsjahr 2011 mehr Flüchtlinge auf dem Weg von Nordafrika nach Europa über das Mittelmeer ums Leben gekommen sind als je zuvor, sollte Anlass zu Empörung sein.

Mindestens 1.500 Tote - das sind mehr als die Opfer staatlicher Repression während der Umstürze in Ägypten und Tunesien zusammen. Für die Toten der arabischen Revolutionen stehen in diesen Ländern ehemalige Verantwortungsträger vor Gericht. Für die Opfer der europäischen Flüchtlingspolitik muss niemand geradestehen.

Europa ist natürlich sehr an einem Neubeginn im Verhältnis zu Nordafrika interessiert. Die europäischen Regierungen tragen ein unseliges Erbe - blutige Kolonialkriege und danach zynische Kumpanei mit einigen der brutalsten Diktatoren der Welt, alles im Namen des Schutzes der eigenen Interessen.

Bild: taz
DOMINIC JOHNSON

ist Ko-Leiter des Auslandsressorts der taz und zuständig für die Afrika-Berichterstattung.

Heute sind die Interessen Europas weniger strategischer denn ökonomischer Natur. Man wittert immense Wirtschaftschancen, vom Öl in Libyen bis zur Sonne in der Sahara. An Nordafrikas energetischen Ressourcen will sich Europa laben. Europa würde nebenbei den neuen Revolutionären gern noch erklären, wie Demokratie und Rechtsstaat funktionieren, denn das wissen Nordafrikaner ja bekanntlich nicht, trotz der Mühen europäischer Kolonisatoren und Waffenverkäufer.

Aber zu einem Neubeginn gehört nicht nur eine Neudefinition der zwischenstaatlichen Beziehungen, sondern auch ein menschenwürdiger Umgang mit den Menschen. Die EU sollte endlich Verantwortung übernehmen für die Opfer ihrer eigenen Politik.

Wer identifiziert und birgt die Toten im Mittelmeer? Wer benachrichtigt und entschädigt in Afrika die Hinterbliebenen? Wer kümmert sich um bessere Lebensverhältnisse dort, wo Menschen in See stechen? Wer nimmt die Flüchtlinge auf, die ein halbes Jahr nach Ende des Libyenkrieges immer noch an den libyschen Landgrenzen in Wüstenlagern sitzen und für die es kein Vor und Zurück gibt? Wer stellt sicher, dass afrikanische Migranten in Europa arbeiten und Geld verdienen können? Wer setzt sich für legale Einreisemöglichkeiten ein, um den Schleppern das Handwerk zu legen?

Europas Politik ist auf diese Fragen Antworten schuldig. Solange es für normale Menschen nur unter Lebensgefahr möglich ist, von Nordafrika nach Europa zu reisen, ist alles andere unglaubwürdig.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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7 Kommentare

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  • I
    Irmi

    zu Frau Müller, niemand kann sicher stellen das Flüchtlinge in Europa Arbeit finden, dazu müsste man sie erst mal ins Land lassen, und nicht zurück treiben in den sicheren Tod. Außerdem verdienen die Migranten sehr wenig und machen Arbeiten für die sich der Deutsche immer noch zu schade ist.

     

    Bibi möge doch bitte mal das Buch lesen Economic Hit Man, darin wird beschrieben wie man Afrika systematisch kaputt macht aus reiner Profitgier, somit haben diese Menschen aus Afrika jedes Recht hier zu sein. Wir nutzen auch in Europa und auch D. reichlichst die Erdschätze Afrikas, nur hinterfragt keiner wo es her kommt, wer dafür leiden und hungern oder sterben muss, wer dafür ermordet wird, weil wir einfach zu egoistisch und blind sind.

    Warum regen wir uns über diese Flüchtlinge auf, die auch ein Recht auf ein Leben ohne Verfolgung, ohne Hunger und Leid haben, während wir hunderte Milliarden sinnlos in Länder pumpen, die über Jahrzehnte bestens über ihre Verhältnisse gelebt haben und nun die Früchte ertragen müssen. Aber wer büßt auch hier wie in Afrika dafür, das Volk.

  • PA
    Peter A. Weber

    Heuchelei

     

    Ich muß mich nur über einige Kommentare wundern. wenn sie die Verantwortung für das Flüchtlingsproblem nur bei den Betroffenen selbst suchen. Die EU trägt in vielerlei Hinsicht die Hauptverantwortung für diese Entwicklung:

     

    - die Handels- und Wirtschaftspolitik der EU trägt zum großen Teil zur Verarmung und Ausblutung afrikanischer Länder bei. Die Profiteure sind die daran beteiligten Konzerne sowie selbstsüchtige Politiker - selbstverständlich auch die in Afrika ansässigen.

     

    - die Unterstützung, die den diktatorischen und menschenfeindlichen Regimen Nordafrikas von der EU gewährt wurde und die Vereinbarungen bzgl. des Einfangens und der Internierung von Flüchtlingen unter unmenschlichen Verhältnissen geht ebenfalls auf das Konto Europas

     

    - last but not least gibt es da noch die sehr fragwürde militärisch organisierte von Brüssel finanzierte Flüchtlingsabwehr namens FRONTEX. Diese führt nachgewiesenermaßen teilweise gesetzwidrige und inhumane Aktionen gegen die Flüchtlinge durch. In Seenot befindliche und von Hunger und Durst bedrohte Menschen werden mit Gewalt daran gehindert, sicheren Boden zu betreten, werden zurückgewiesen und ihrem Schicksal - dem sicheren Tod - überlassen.

     

    Es ist mehr als zynisch, die Schuld für diesen Skandal nur bei den Flüchtlingen selbst oder den Schlepperbanden zu suchen. Und es ist eines Europa, das sich selbst als Vorbild für Aufklärung, Humanismus, gelebtes Christentum und Demokratie bezeichnet, nicht würdig und stellt eine Schande dar!

  • D
    Dirk

    @Sandro,

     

    ich kann mich über Ihren Kommentar nur wundern - in Seenot Geratenen nicht helfen? Das würde nicht nur jeglichem humanitären Völkerrecht widersprechen, sondern auch ein Verbrechen sein.

     

    Andererseits habe ich selten einen so extrem ideologisch aufgeheizten Artikel gelesen: Wieder mal die übliche "Der Westen ist an allem Schuld"-Religion:

     

    "Die EU sollte endlich Verantwortung übernehmen für die Opfer ihrer eigenen Politik."

     

    Hier aber wird es gänzlich absurd:

    "Wer benachrichtigt und entschädigt in Afrika die Hinterbliebenen?"

     

    Ich stelle mir gerade vor, dass ich über den Golf von Mexiko mit einem unzureichenden Boot versuche, illegal nach Amerika zu kommen und dabei draufgehe. Meine Verwandten sollten nun Entschädigung von den USA bekommen?

    Die verbrecherischen Schlepperbanden sind in erster Linie die Verantwortlichen!

     

    Im Übrigen gelten für Afrikaner dieselben Regeln für eine legale Arbeitsgenehmigung wie für jeden anderen auch.

  • V
    vic

    Eigentlich dürfte zwischen den Kontinenten niemand mehr ertrinken müssen. Im bestüberwachten Meeresraum bis Nordafrika bleibt nichts ungesehen.

    Außer- man schaut weg.

  • S
    Sandro

    Ich habe kein Problem damit wenn Touristen aus Nordafrik zu uns nach Europa kommen. Das sollte jedem möglich sein. Wenn die aber hier illegal einfallen muss das verhindert werden! Die Grenzen müssen geschlossen bleiben. Natürlich wäre es wünschenswert wenn man die Bürger hier dazu fragen würde.

     

    Und ich bin dagegen den Illegalen die in Seenot geraten zu helfen. Für den Umweltschutz sollten Boote der Küstenwache lieber im Hafen bleiben!

  • B
    Bibi

    Nichts für ungut, aber:

    1. Die Menschen kommen freiwillig und sie wissen, dass sie keine realistischen Chancen auf Asyl und Neuanfang in Europa haben. Es handelt sich um fast ausschließlich junge Männern ohne nennenswerte Ausbildung. WAS sollen wir diesen Menschen hier anbieten?

    2. Mit welchem Recht wollen wir Nordafrika ihre junge Bevölkerung abspenstig machen? Das wäre Raubbau am nordafrikanischen Humankapital, die brauchen jetzt jeden klugen Kopf und jede helfende Hand.

    3. Welche Perspektive können wir Menschen geben, die vollkommen unrealistische Vorstellungen von einem westlichen Land haben? Die Probleme mit westlicher Kultur haben und dem hiesigen Arbeitsmarkt nichts zu bieten haben?

    4. Was ist mit der Verantwortung muslimischer Staaten wie z.B. der Türkei etc.? Warum kommen diese nicht für ihre Glaubensbrüder auf? Eine Integration in ihre System würde aufgrund ähnlicher Kultur leichter sein.

     

    Europa ist kein Selbstbedienungsladen. Wir begehen einen großen Fehler wenn wir ein heiliges Gut wie Asyl derart ausnutzen lassen. Denn dann haben die, die wirklich um ihr Leben bangen, keine Chance.

    Was ist übrigens mit denen, in deren Ländern längst kein Krieg mehr tobt und die trotzdem noch hier sind?

  • FE
    Frau Edith Müller

    "Wer stellt sicher, dass afrikanische Migranten in Europa arbeiten und Geld verdienen können? "

     

     

     

    Ich glaub, es hackt.